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Das römische Staatsleben.
§ 37. Bürgerschaft, Senat und volkstribunat.
Die römische Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit bildete die
einzige Quelle der Staatsgewalt. Die einzelnen Teile dieser Gewalt
übertrug sie ihren Beamten, nur die Gesetzgebung und die schwersten
Kriminalfälle behielt sie sich selber vor und entschied sie in ihren Bürger-
Versammlungen- diese hießen comitia, wenn darin abgestimmt, con-
tiones, wenn bloß geredet wurde. Aber nicht diese Bürgerversamm-
hingen bestimmten den Gang der römischen Politik, sondern das geschah
durch den Senat mit seinen Beamten einerseits und durch das Volks-
tribunat anderseits.
Der Senat, zunächst eine bloß beratende Behörde der Könige
und auch der ersten Konsuln, wurde schon recht bald der eigentliche
Regierungsmittelpunkt, und die Konsuln wurden aus gebietenden Herren
allmählich Diener des Senates. Das kam nicht bloß daher, daß die
Konsuln jährlich wechselten, sondern hauptsächlich daher, daß die höheren
Beamten sämtlich aus dem Senate hervorgingen und nach Ablauf ihrer
Amtszeit wieder in denselben zurücktraten. Der Senat war Roms
Regierung, er bestimmte die römische Politik und eroberte die Welt.
Das Volkstribunat bildete das Gegengewicht zu der sena-
torischen Regierung und stand an der Spitze aller regierungsfeindlichen
Bewegungen. Wie der Senat aus einer bloß beratenden Behörde eine
herrschende wurde, so änderte sich auch der anfängliche Charakter des
Volkstribunats: aus einer bloß schützenden Behörde wurde es die an-
griffslustigste. Das lag begründet in dem überaus schroffen Gegensatz,
in dem die Patrizier und Plebejer zu einander standen, ferner in der
sakrosankten Stellung der Tribunen und in ihrer von selbst sich ver-
mehrenden Machtfülle. Nachdem das Volkstribunat den Ständekampf
(494 - 366) zu einem glücklichen Ende geführt Hatte, zeigte es feine
antisenatorischen Neigungen bis 133 nur gelegentlich. Dann aber stellte
es sich wieder an die Spitze der regierungsfeindlichen Reformbewegung
und blieb daran, bis sein Streben nach sozialen Reformen abgelöst
wurde durch das Streben ehrgeiziger Führer nach der Alleinherrschaft.
§ 38. (Einteilung des römischen Volkes und
des römischen Gebietes.
1. Die ältesten römischen Bürger, die Patrizier, waren in Kurien
oder Geschlechtsverbände eingeteilt; der Name curia rührt her von
der Besorgung (cura) gemeinsamer Opfer; und zwar entfielen je zehn
Kurien auf die drei Urgemeinden der latinischen Ramnes, der sabi-
nischen Tities und der albanischen Luceres.
2. Sermus Tullius teilte das ganze, aus Patriziern und Plebejern
bestehende Volk, soweit es Grundbesitz hatte, in 5 Vermögens Klassen.
Die Angehörigen der ersten Klasse mußten ein Bauerngut von mindestens