Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

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störung Karthagos noch eine dritte richterliche Gewalt, die quaestiones 
perpetuae (stehende Gerichtshöfe), durch die die»überlasteten Komitien 
wirksam entlastet wurden. Die Quästionen wurden zuerst nur mit 
Senatoren, seit C. Gracchus nur mit Equites, seit Cäsar mit beiden 
besetzt- die Zahl der Quästionen stieg bis auf acht. Ihre Befugnis 
war eng umschrieben; so kamen vor die eine Quästio nur Erpressungs¬ 
angelegenheiten, vor eine andere nur Fälschungen usw. Die Quästionen 
konnten nur auf Geldstrafen und Ächtung erkennen, während die Ko- 
mitten die seltenen Fälle behielten, auf denen Todesstrafe stand. 
Der Verlauf des Strafprozesses war folgender: 
a) Vorverfahren vor dem Prätor. Der Ankläger ersuchte den 
Prätor, eine bestimmte Person anklagen zu dürfen; traten mehrere 
Ankläger auf, so entschied der Prätor in einem besonderen Ver¬ 
fahren (divinatio), wer die Anklage erheben solle. Nachdem der 
Prätor die Klage des zugelassenen Anklägers in seine Proze߬ 
liste eingetragen und damit den Angeklagten zum reus gemacht 
hatte, lud er den Angeklagten zum Verhör; zeigte sich dabei die 
Schuld oder Unschuld des Angeklagten als zweifellos, so entschied 
der Prätor allein; in allen zweifelhaften Fällen überwies erden 
Prozeß den Komitien zur Entscheidung, wenn die Todesstrafe in 
Betracht kam, sonst der betreffenden quaestio perpetua. 
b) Verfahren vor (Bericht unter dem Vorsitze des Prätors, 
a) Vor den Komitien. Dem entscheidenden Abstimmungstage 
gingen in fest bestimmten Abständen drei Termine voraus, an 
denen die Prozeßangelegenheit nach allen Seiten hin aufs ge¬ 
naueste untersucht wurde, so daß sich jeder Burger die nötige 
Klarheit für den Tag der Abstimmung verschaffen konnte, ß) Vor 
der Quästion. An dem vom Prätor festgesetzten Termine hielt 
zuerst der Ankläger, dann der Angeklagte seine Rede, dann erst 
folgte die Beweisaufnahme (Zeugenaussagen, Urkunden usw.). 
Nach Schluß der Untersuchung wurden die iudices der Quästion 
vereidigt und stimmten dann ab. Jeder erhielt ein Täfelchen auf 
dessen einer Seite C(ondemno) stand, während auf der andern 
A(bsolvo) zu lesen war. Nach Auslöschung eines Buchstabens 
legten sie das Täfelchen in die Urne; war einer in seinem Urteil 
unsicher (non liquet), so löschte er beide Buchstaben aus. 
c) Schlußverfahren. Der Prätor verkündete das Urteil und 
im Falle der Verurteilung die Strafe, deren Höhe bei Geld¬ 
strafen er festsetzte. Beim Ankläger setzte er die ihm zukommende 
Belohnung fest oder bestrafte ihn, falls er wissentlich falsch ange¬ 
klagt hatte oder durch absichtlich falsche Anklagestellung dem 
Schuldigen hatte durchhelfen wollen. 
Die Strafen, die im Kriminalverfahren verhängt wurden, waren 
Geldstrafen (multae), die Ächtung oder unfreiwillige Verbannung (aquae 
et ignis interdictio) und die Todesstrafe. 
Der Todes- und Ächtungsstrafe entzog man sich in den letzten
	        
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