Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

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in welchem ihr Spindel und Spinnrocken nachgetragen wurden, in das 
Haus des Gatten geführt wurde (uxorem ducere sc. domum). Im 
Atrium empfing sie die Schlüssel des Hauses und wurde in die Gemein- 
schaft des Feuers und Wassers aufgenommen. Es folgte die feierliche 
cena nuptialis unter dem Klange der Flöten und Hochzeitslieder 
(hymenaei). Am folgenden Tage brachte die junge Frau in ihrem 
Hause den Göttern das erste Opfer dar und empfing von Verwandten 
und Freunden Geschenke. 
Schon diese und ähnliche Zeremonien lassen erkennen, daß die 
Stellung der römischen Frau eine würdigere und selbständigere 
war als die der griechischen. Sie war die wirkliche Herrin (domina) 
des Hauses und nahm an allen wichtigen Entscheidungen teil, die die 
Familie betrafen; sie war nicht auf ein besonderes Frauengemach an¬ 
gewiesen, sondern verkehrte frei mit den Männern, nicht bloß in ihrem 
eigenen Hause, sondern auch außerhalb desselben, und besuchte gleich 
ihnen den Zirkus und das Theater, enthielt sich jedoch des Weines. 
Aber schon nach dem zweiten punischen Kriege trat mehrfach 
Sittenverderbnis ein, infolge deren die Frau, verschwenderisch und 
prunksüchtig geworden, die Bande der Ehe nicht mehr achtete. Kein 
Wunder, daß es da zu wiederholten Ehescheidungen (divortia, discidia) 
kam, zu denen schon eine mündliche oder schriftliche Erklärung eines 
der beiden (Batten genügte. So fiel es kaum auf, daß auch sonst sitten¬ 
strenge Römer, wie Pompejus, Cicero u. a., mehrfach ihre Ehen ohne 
triftigen Grund lösten. Schon Augustus sah sich daher genötigt, durch 
die leges Juliae gegen die Zuchtlosigkeit der Ehen nicht minder auf¬ 
zutreten als gegen die mehr und mehr um sich greifende bequemere 
Ehelosigkeit. 
§ 55. e) ttmdererziehlmg. 
Ein neu geborenes Kinb würbe bem Vater vor bie Fuße gelegt, 
bamit er vermöge seiner patria potestas entweber burch Aufheben 
besselben (tollere, suseipere) sich zur (Erziehung verpflichte ober es 
burch Liegenlassen zur Aussetzung ober Tötung bestimme. Erst bie 
christlichen Kaiser verboten bie Tötung bes Knaben als parricidium. 
Am 9. Tage erhielt ber Knabe, am 8. (dies lustricus) bas Mäbchen 
einen Namen, nachbem burch Waschung unb Opfer bie Reinigung ber- 
selben bewirkt war; auch würbe ben Kinbern an biesem Tage zum 
Schutze gegen Zauberei eine Kapsel mit einem Amulett (bulla) um ben 
Hals gehängt. 
Die körperliche unb geistige Ausbilbung ber Kinber unter- 
stanb ganz ber Bestimmung ber (Eltern; namentlich war es bie Mutter, 
bie sich, wie ber Pflege, so auch ber geistigen Ausbilbung ihrer Kinber 
annahm. Mit bem siebten Jahre begann ber eigentliche (Elemen¬ 
tarunterricht, inbem ber Knabe zu Hause ober in ber Schule (ludus) 
bei einem Privatlehrer (litterator, ludi magister) Lesen, Schreiben 
unb Rechnen lernte.
	        
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