Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

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Das Schreiben wurde geübt auf Holztäfelchen (tabellae), die mit Wachs 
überzogen waren, indem man die Schriftzüge mit einem Griffel (stilus), dessen 
unterer Teil spitz, dessen oberer zum Glätten der Wachstafel abgeplattet war. in 
das Wachs einritzte. Da die Täfelchen einen äußeren Holzrand hatten, konnten 
mehrere zu einem Buche zusammengesetzt werden (dinzvya, t^inrvya); die inneren 
wurden dabei an beiden Seiten benutzt, während die äußeren abschließenden Seiten 
des Wachsüberzuges entbehrten. Sollten die Täfelchen als Brief verwertet werden, 
so zog man einen Bindfaden durch 1 oder 2 Löcher in der Mitte, umwickelte mit 
demselben den Brief und versiegelte ihn. 
Außer den Wachstäfelchen gebrauchte man auch das aus dem feinen Bast 
der ägyptischen Papyrosstaude gewonnene Papier (diarta), das nur an einer 
Seite beschrieben wurde. Die Streifen des Papiers waren meistens sehr lang und 
enthielten die Schrift in zahlreichen Kolumnen. Sie wurden zusammengerollt (da- 
her volumen), so daß der Anfang der Schrift nach oben kam und diese durch 
Abrollen weiter gelesen wurde. Der Titel (titulus) des Werkes war verzeichnet 
auf einem am oberen Ende der Rolle befestigten Zettel. Die Rollen wurden oft 
in runden Kapseln aufbewahrt und zu mehreren in einen hölzernen Kasten (scri- 
nium) gelegt. Man schrieb auf Papier und auf das nach der Stadt Pergamon 
in Kleinasien (Hauptstätte der vervollkommneten Fabrikation) benannte Pergament 
(geglättete, nicht gegerbte Tierhaut) mit einer Rohrfeder (calamus, auch arundo) 
und einer aus Ruß bereiteten Tinte (atramentum). 
Das Rechnen wurde wegen der Schwierigkeit der Handhabung der römischen 
Ziffern bei einem besonderen Rechenmeister (calculator) erlernt, wobei ein Rechen- 
brett (tabula, abacus, nach dem dekadischen Iiffernsystem in viereckige Felder ab- 
geteilt) mit Steinchen (calculi) gute Dienste leistete (Hör. sat. I, 6,75). 
Mit den Schreibübungen ging das Auswendiglernen der 12 
Tafelgesetze, lateinischer Dichtungen und der von Livius Andronicus 
ins Lateinische übersetzten Odyssee Homers Hand in Hand. Seit dem 
zweiten punischen Kriege wurde der Knabe auch in der griechischen 
Sprache unterrichtet, so daß Homer in der Ursprache den Mittelpunkt 
des Unterrichtes bildete. Griechische Sklaven (paedagogi, pedisequi) 
begleiteten den Schüler, damit er die griechische Sprache um so schneller 
und gründlicher erlerne. Die Schulbildung fand ihren Abschluß in den 
ursprünglich nur griechischen, später auch lateinischen Rhetoren schulen 
durch Unterricht in praktischer Redefertigkeit, deren Bedeutung zur 
Erlangung von Macht und politischem Einfluß jedem offensichtig war. 
Die Schüler wohnten nicht nur dem theoretischen Unterrichte der Rhe- 
toren bei, sondern sie hielten auch selbst zu eigener Übung Reden 
(declamationes) und zwar suasoriae (Empfehlungsreden) und 
controversiae (Sreitreben), zumeist über erdichtete Rechtsfälle. Vor- 
nehme Jünglinge besuchten schließlich auch die Rhetorenschulen und die 
Heimstätten der Philosophie in griechischen Städten, namentlich in 
Rhodos und in Athen. 
Die Schulen waren ausschließlich private im Hause des Lehrers, 
der in älterer Zeit auch wohl auf offener Straße (in triviis) lehrte, 
roeshalb schon Quintilian von einer scientia trivialis spricht (vergl. 
den Begriff „Trivialschulen"). Erst seit der Zeit Vespasians 
sorgte der Staat für Anstellung griechischer und lateinischer Rhetoren. 
Das Schuljahr begann im März, die Ferien dauerten vom Juli bis 
zum Oktober. 
Im Gegensatze zu der musischen Bildung der Griechen war 
Musik bei den Römern kein Gegenstand des Unterrichtes, wohl 
aber wurden die Leibesübungen, wie Laufen, Springen, Ringen, Faust- 
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