Full text: Von der Thronbesteigung Ludwigs des Frommen bis zum Tode Ludwigs des Kindes. Konrad (I.) von Franken (Abt. 2, 2. Hälfte)

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Anhang. 
den die persönliche Dienstpflicht gerade in der für ihn wichtigsten Zeit der 
Bestellung und Ernte seinem Anwesen entführte, sich binnen kurzem dahin¬ 
gebracht sah, entweder durch Preisgabe der dinglichen, oft auch der persönlichen 
Freiheit seiner Schulden quitt zu werden, oder die Zahl jener heimat- und 
besitzlosen Freien zu vermehren, die der Hunger zwang, durch Raub und Dieb¬ 
stahl bez. Bettel ihr Leben kümmerlich zu fristen. Zu allem Ungemach kam 
die Willkür der Grafen hinzu, die oft genug in eigennütziger Absicht die 
ärmeren Freien in rücksichtsloser Weise zum Kriegsdienste heranzogen und mit 
unerbittlicher Härte ihre Amtsgewalt mifsbrauchten. AVas schon in den Zeiten 
Karl Martells und Pippins vereinzelt vorgekommen war, das ereignete sich in 
den an Kriegen überreichen Zeiten Karls d. Gr. so häufig, dafs die darin lie¬ 
gende Gefahr für das staatliche und wirtschaftliche Leben der Nation dem Könige 
nicht verborgen bleiben konnte. Das rapide Zusammenschmelzen des Standes der 
Gemeinfreien, die Ausbildung grofser Grundherrschaften, die allmählich den 
Kleingrundbesitz verschlangen, die Schwächung der Heereskraft, die notwendig 
mit dem Rückgänge der Zahl der Freien verbunden war, liefsen es ihm dringend 
geboten erscheinen, den Bedrängten zu Hilfe zu kommen und ihnen auf dem 
Wege der Gesetzgebung Erleichterungen zu verschaffen, welche sich an und für 
sich mit dem System der allgemeinen Dienstpflicht nicht vertrugen. Doch hat 
die Folge gelehrt, dafs auch hier der beste Wille des Gesetzgebers nicht im 
Stande war, den Gang der Entwickelung aufzuhalten; denn die ganze politische 
und wirtschaftliche Entwickelung drängte nach dem Seniorat hin, und Karl 
d. Gr. hat nicht umhin gekonnt, mit den Verhältnissen, wie sie geworden, zu 
rechnen und den Staat durch stärkere Inanspruchnahme des geistlichen und 
weltlichen Grofsgrundbesitzes so gut es gehen wollte, für den Verlust zu ent¬ 
schädigen, den die rasche Abnahme der Gemeinfreiheit im Gefolge hatte. 
Die von Karl d. Gr. behufs Erleichterung der Dienstpflicht getroffenen 
Anordnungen lassen die Einheitlichkeit durchaus vermissen, so dafs man ver¬ 
sucht sein könnte, sie nur als für den einzelnen Fall berechnet anzusehen. Das 
ist für einige der Kapitularien, welche sich mit dem Heerdienst beschäftigen, 
gewifs auch richtig, gleichwohl dürfte gerade die öftere Wiederkehr des Gegen¬ 
standes in den Kapitularien der späteren Regierungszeit Karls dafür sprechen, 
dafs es ihm thatsächlich darum zu t.hun war, für Aufgebot und Ausrüstung- 
gewisse normative Grundsätze zu schaffen,1 ohne doch das Prinzip der allgemeinen 
1) Waitz spricht von einer förmlichen Reform des Heerwesens durch Karl d. Gr. und ähnlich äufsert 
siel Roth; beiden gegenüber hat Boretius auf den transitorischen Charakter aller dieser über das Heerwesen 
erlassenen Bestimmungen hingewiesen. Daran ist allerdings nicht zu zweifeln, dafs wir es mit einer systema¬ 
tischen Reform nicht zu thun haben, und darum ist im Text dieser Ausdruck vermieden worden; aber gerade die 
häufige Wiederkehr der Angelegenheit mufs doch auch wieder als Beweis dafür angesehen werden, dafs die 
Frage zu einer brennenden geworden war und dafs Modifikationen des Systems sich als nötig- erwiesen, um den 
Stand der Freien zu schonen.
	        
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