Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

— 249 — 
§ 52. Die etruskische haruspizin. 
4. Die Divinationskunst der Etrusker kam etwa seit der Zeit 
des Hannibalischen Krieges auf 3 Gebieten zur Anwendung: 
1) Bei der Eingeweidesch au (extispicina), die namentlich im Im¬ 
perium militare schon wegen der größeren Bequemlichkeit mehr und 
mehr die Beobachtung des Vogelflugs und die auguria ex tripu- 
diis verdrängte, so daß in Ciceros Zeit der Haruspex zu dem 
ständigen Beamtenpersonal der höheren Magistrate gehörte; da hatte 
dieser bei gewissen Opfern, namentlich vor dem Beginne eines Feld- 
zuges oder einer Schlacht, die Aufgabe, aus den Eingeweiden 
des Opfertieres, aus Leber und Galle, Lunge, Netzhaut und Herz, 
den glücklichen oder unglücklichen Ausgang der geplanten Unternehmung 
zu verkündigen; 2) bei der Blitzkunde (ars fulguratoria), der bis 
ins kleinste ausgebildeten Lehre von der Wirksamkeit jedes einzelnen 
der blitzwerfenden Götter in bestimmten Regionen des in 16 Felder 
geteilten Himmels; 3) bei der Ausdeutung naturwidriger Er¬ 
eignisse (ostenta), wo es neben der Ermittelung der Herkunft (von 
welcher Gottheit) und des Anlasses des Zeichens die Beantwortung 
der Fragen galt, welche zukünftigen Ereignisse das Vorzeichen an¬ 
kündige (quid portendat prodigium), und ob es günstig sei oder nicht. 
Im 2. und 3. Falle hatte der Haruspex auch die Sühnmittel anzu¬ 
geben und für gewisse Probigien die Sühnung selbst vorzunehmen 
(procuratio prodigiorum)., 
IV. Die Kultperfonen. 
§ 33. a) Das priestertum bei den Griechen. 
In den alten Zeiten bedurfte es keines besonderen Priesterstandes. 
Der Hausvater opferte und betete für die Familie, der Geschlechts- 
älteste für das Geschlecht. Und diese Personen sind immer die Träger 
des Privatkultus geblieben. Die Aufsicht über den gesamten, nament¬ 
lich den öffentlichen Kultus, die Leitung der großen Staatsfeste 
und Staatsopfer hatten die höchsten politischen Beamten, die also 
zugleich auch die höchsten priesterlichen waren. Als die Verhältnisse 
verwickelter wurden, bildete sich ein eigener Priesterstand heraus. 
Der Dienst des Priesters {ceQevg) beschränkte sich auf die Sorge für 
das Heiligtum und das Opfer. Deshalb war zur Bekleidung 
eines Priesteramtes nur die Kenntnis des Rituals erforderlich; denn 
da es kein Dogma gab, bedurfte es auch keiner Religionslehre mit 
theologischer Vorbildung. Für die Deutung des Sakralrechtes und 
der Orakelsprüche waren eigene sachverständige Ausleger (eftjyijrtn) 
vorhanden. Es gab (Einzelpriester und Priesterkollegien. Die Be- 
setzung der Priestertümer, die von einjähriger oder meist lebens¬ 
länglicher Dauer waren, erfolgte durch Volkswahl ober Los oder 
Kauf ober Vererbung. Gewisse Priestertümer waren Frauen vorbe¬ 
halten. Anteil an ben Opfergaben unb Tempelgütern bilbete bie 
17
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.