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Diese Wachttürme *), die teils den Interessen des Friedens (Zoll-
wache), teils denen des Krieges (Auslug und Signalstation) dienten,
erhielten später eine Verbindung und Verstärkung durch einen
Erdwall. An diesem wurden in einem Abstände von je einem
halben Tagemarsche kleine Kastelle für je eine Auxiliarkohorte
errichtet. Diese gleich Feldwachen vorgeschobenen (ca. 100) Grenz¬
kastelle (praesidia) waren durch gut gebaute Militärstraßen mit
den weiter zurückliegenden größeren Hauptkastellen (Etappen-
Plätzen) der Auxiliarkohorten und Alen verbunden. Von diesen
führten dann breite Heerstraßen weiter auf das linke Rheinufer
nach den Standorten der Legionen.
b) Diesen Limes mit seinen Türmen und Erdwällen, der um das
Jahr 100 ausgebaut war, beschloß Hadrian (117-138) auf
der ganzen Linie, die Flußläufe ausgenommen, durch Palisaden
zu verstärkend. Gleichzeitig wurden die Kohortenkastelle an den
Limes selbst vorgeschoben, und um eine bessere Verständigung
zwischen den Kastellen zu ermöglichen, wurde die bisher gewundene
Trace begrabet. Diese Begradigung, welche die an einigen Stellen
doppelte Linie des Limes verständlich macht, wurde unter Hadrians
Nachfolger Antoninus Pius (138-161) fortgesetzt. Bald nach
150 n. Chr. hatten die Provinzen Germania und Raetia ihre
größte Ausdehnung erreicht, und eine Verschiebung der Limes-
Linie erfolgte wohl nicht mehr.
c) Eine letzte Verstärkung erfuhren die Limesanlagen wohl zu Ve-
ginn des 3. Jahrhunderts unter Earacalla bei Gelegenheit des
Alemannenkrieges 213, vielleicht auch schon früher unter Tom-
modus 180-192, indem in Rätien von Lorch ab die Palisaden-
wehr durch eine steinerne Mauer ersetzt wurde, die sog. Teufels-
mauert, und in Germanien neben den Palisadenwall hin ein
großer Graben gezogen wurde, der bei der Erforschung des
Limes heute den Gelehrten der sicherste Führer ist. Dieser Pfahl-
graben4) wurde später mit dem germanischen Kollektiv-Singular
einfach Pfahl, Pal, Pohl genannt.
1) Die erhaltenen Grundmauern der Wachttürme, die in Abständen von ca.
700 m errichtet waren, zeigen quadratische Anlage, jede Seite 4,50 m. Ihren
Oberbau können wir erkennen aus den Abbildungen auf der Trajanssäule: zwei
Stockwerke (der obere mit Umgang); der untere Raum ist ohne Tür.
2) „stipitibus magnis in modum muralis saepis funditus iactis atque
connexis". Spartian, vita Hadrian! cap. 12.
3) Die Steinmauer ist 175 km lang; die Steine sind durch Kalkmörtel oer»
bunben; sie ist Im dick und hatte mindestens eine Höhe von 2*/2 m.
4) Der Pfahlgraben ist ca. 320 km lang, durchschnittlich 6 m breit und
ca. 2V2 m tief; an vielen Stellen ist er durch den Fels gebrochen. Die Ableitung
des Wortes „Pfahl" aus vallum (nach Schulze) ist lautlich nicht wohl mög-
lich wegen der anlautenden Aspirata. Th. Becker (Zeitschr. f. d. Gymnasialwesen
LVIII, S. 367) leitet es von palus ab, das, wenn auch nicht in der Schriftsprache,
so doch in der „Kommißsprache" die Bedeutung von „Schanzpfahl" gehabt hätte.
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