Full text: Griechisch-römische Altertumskunde

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Die weniger bedeutenden Trachinierinnen haben ihren Namen von dem 
Chore, der aus Jungfrauen von Trachis gebildet ist; im Mittelpunkte der Hand- 
lung steht aber Deianeira, die eifersüchtig auf ihre Nebenbuhlerin, die schöne 
Dole, ihrem (Batten Herakles durch ein Iaubermittel den Untergang bereitet. 
Die Poesie des Sophokles galt als der reinste und lauterste 
Ausdruck attischer Bildung. Er gab die verbundene Trilogie des 
Aifchylos auf und schuf die geschlossene Tragödie als ein für sich be¬ 
stehendes organisches Ganze. Seine Bedeutung liegt in dem streng 
folgerichtigen Aufbau der Handlung und in der meisterhaften Cha¬ 
rakteristik scharf ausgeprägter, individueller, aus freier Selbstbe¬ 
stimmung handelnder Persönlichkeiten- er glaubt an eine sittliche Welt¬ 
ordnung und zeigt in der ehrfürchtigen Achtung der hochthronenden 
eroigen Gesetze eine tiefe Religiosität. So kann es uns nicht wundern, 
daß die Athener ihm nach seinem Tode einen heroischen Kultus widmeten. 
Seine im Jahre 1843 zu Terracina aufgefundene herrliche Statue 
gibt uns auch äußerlich die Bedeutung der Persönlichkeit wieder, in 
der sich Anmut, Würde und Schönheit ausprägen. Treffend sagt 
Sulzer in seiner Theorie der schönen Künste: „Man sagt von dem 
Bildhauer Polyklet, er habe eine Statue von so auserlesenen Verhält- 
nissen und so großer Schönheit gemacht, daß sie den andern Künstlern 
zum Muster gedient und deswegen die Regel genannt worden sei. 
Fast jede der 7 Tragödien des Sophokles, die wir noch haben, ver¬ 
diente den Namen der Regel dieser Dichtungsart". 
§ (8. Luripides. 
(Euripides von athenischen (Eltern angeblich am Tage der Schlacht 
von Salamis (480) zu Salamis geboren, als Schüler des Anaxagoras 
und der Sophisten Prodikos und Protagoras durch philosophische und 
rhetorische Studien gebildet, befreundet mit Sokrates, trat etwa in 
seinem 25. Lebensjahre als Dichter auf. (Er war von herber, finsterer 
Gemütsart und führte ein zurückgezogenes Leben, so daß er eine Teil¬ 
nahme an dem politischen Leben nur in seinen Dichtungen bekundete. 3m 
hohen Alter, vielleicht aus Ärger über Spöttereien der komischen Dichter 
und aus Mißmut über unangenehme häusliche Verhältnisse, verließ er 
Athen und wanderte aus nach Pella in Makedonien an den Hof des 
Königs Archelaos, wo er im Jahre 406 kurz vor Sophokles starb. 
Seine Chorgesänge, die mehrfach eingelegten Musikstücken gleichen, 
stehen nicht immer in engem und innigem Zusammenhange mit der 
Handlung und den Charakteren der handelnden Personen- der Hand¬ 
lung fehlen oft (Einheit, natürliche Entwicklung und Folgerichtigkeit des 
Ausganges. (Eigentümlich sind ihm der Prolog, der eine Art von 
Exposition bildet, und der deus ex machina, der durch sein Er- 
scheinen den Knoten in der Mehrzahl der Stücke löst. 
(Er schrieb etwa 92 Dramen, von denen 8 Satyrdramen waren. 
Von den 18 erhaltenen Dramen sind die bedeutendsten: '[(piyevsia fj 
ev AiXidt, yI(piyeveia fj iv TavQoig, die Goethe den Stoff zu seiner 
„Iphigenie" gegeben hat (Umänderung der trügerischen List der IpHi- 
geneia gegenüber Thoas bei Euripides in unumwundene Wahrheit bei
	        
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