2. Über den Lebenszweck des Menschen. Bei Piaton ist
Lebenszweck die Rückkehr des menschlichen Geistes in den Zustand,
in welchem er sich im Ideenhimmel vorfand. Bei Aristoteles ist die
irdische Glückseligkeit unser Lebenszweck; diese wird erstens herbeige-
führt durch die Tugend, deren Ausübung die Lust zur notwendigen
Folge hat, und zweitens durch den Besitz der äußeren Lebensgüter.
Auch bei Zenon und Epikur ist die irdische Glückseligkeit der Lebens-
zweck, jedoch führt dazu bei Ienon ganz allein die Tugend, das Be-
wußtsein ihres Besitzes und ihre Ausübung an den Mitmenschen; bei
Epikur jedoch besteht sie in einer angenehmen, behaglichen Seelen-
stimmung, für die es verschiedene Lustquellen gibt.
3. Über die Gottheit. Bei Piaton gibt es nur einen Gott,
das ist die höchste unter den Ideen, die Idee des Guten. Aristoteles
kommt unserem Gottesbegriffe noch viel näher; doch hat sein Gott den
Stoff nicht erschaffen, sondern nur gestaltet. Bei Zenon ist Gott ein
vernunftbegabtes, zweckvoll handelndes Feuer. Epikur läßt die Götter
der VolKsreligiosen wirklich existieren; jedoch wohnen sie in den Zwischen¬
räumen zwischen den einzelnen Welten, den sog. Internuntien, sind
ewig und unvergänglich und genießen ein ungetrübtes Glück, ganz un-
bekümmert um die Angelegenheiten der Menschen.
§ 36. Ver Skeptizismus und der Eklektizismus.
Pyrrhon und die radikalen Skeptiker. Pyrrhon aus Elis,
ein Zeitgenosse Alexanders, fand den Gegensatz zwischen der akademischen
und peripatetischen Schule vor und erlebte bald darauf dessen Crwei-
terung durch die stoische und epikureiische Schule. Dieser stets sich er-
weiternde Gegensatz in den philosophischen Lehren veranlagte ihn zu
einer überaus mißtrauischen Prüfung derselben und brachte ihn schließlich
zum alles verneinenden Zweifel. (Er lehrte: Nichts ist wirklich schön
oder häßlich, gerecht oder ungerecht, sondern alles beruht auf mensch¬
licher Willkür. Weil es daher kein eigentliches Wissen gibt, so muß
sich der Weise in allem des Urteils enthalten. <#
(Ein gemäßigter Skeptizismus fand Eingang in die „mittlere"
Akademie, die im Jahre 155 durch das damalige Haupt der mittleren
Akademie, Karneades, auch in Rom eingeführt wurde. Der Zweifel
der mittleren Akademie verzichtet auf die volle Wahrheit und begnügt
sich mit der bloßen Wahrscheinlichkeit. Er ist demnach ein fruchtbarer
Zweifel, denn er sucht immer und überall nach der eigentlichen Wahr¬
heit, bleibt sich aber dabei bewußt, daß er sich irren könne; und so
kommt er, immerfort sich berichtigend und ergänzend, der Wahrheit
immer näher. Auch Cicero huldigt dieser Ansicht.
Der Eklektizismus ist eine Folge des Skeptizismus; denn
seitdem dieser an allen Systemen Unhaltbares ober Widerspruchvolles
nachgewiesen hatte, lag es nahe, aus allen Systemen das Beste aus-
zuwählen. Das geschah besonders durch denkende Römer, nachdem
die Philosophie 155 in Rom (Eingang gefunden hatte. Der bedeutendste
Eklektiker ist der Redner Cicero.