Die Zeit des Deutschen Bundes bis zur Begründung des Deutschen Reiches. 149
welche in den Bewohnern Griechenlands die Nachkommen der alten Helden
der Perserkriege erblickten. Wilhelm Müller entflammte die deutsche
Jugend durch seine Griechenlieder. König Ludwig I. von Bayern über-
trug seine Liebe zur klassischen Kunst auf das Griechenvolk seiner Zeit und
begünstigte die Bestrebungen der Philhellenen-Vereine. Der britische
Dichter Lord Byron trat in die Reihen der Freiheitskämpfer und starb
in der belagerten Feste Missolnnghi (1824). Festland und Inseln waren
Schauplätze mörderischer und doch nicht entscheidender Kämpfe und schreck¬
licher Rachetaten. Trotz der Not einigten sich die Griechen nicht und
führten sogar die Waffen gegen sich selbst. Die in Korinth tagende Re-
gierung war machtlos gegen die Parteien. Anderseits vermochte auch
Sultan Mahmud nicht der Empörung Herr zu werden uud rief deshalb
seinen mächtigen Vasallen Mehemed Ali. den Pascha von Ägypten, den
Vernichter der Mamelucken, zu Hilfe (1824). Dessen Adoptivsohn Ibra¬
him Pascha eroberte Kreta. Morea und Missolunghi. Griechenlands
Schicksal schien besiegelt, zumal Metternich den Ausstand wie jede Re-
Solution verdammte. Nun legten der neue Zar Nikolaus I. (1825— mtoiM81.
1855), mehr von dem Gedanken an Rußlands Vorteil als von Huma- 1825-1855.
nitätsrücksichten geleitet, Englands Minister Canning und Frankreich sich
ins Mittel und verlangten sür die Donaufürstentümer und Griechen-
land eigene Verwaltung. Da ihre Forderung abgewiesen wurde, schickten
die drei Mächte eine Flotte, welche auf Ibrahim Pascha einen Druck aus-
üben sollte. Als dieser bei Navarino trotzdem seine Flotte auslaufenNavarmo
ließ, kam es zum Kampf, der die ganze türkisch-ägyptische Flotte vernichtete. m7.
Das „unerwartete Ereignis", wie Wellington diese Gewalttat nannte.
führte zum offenen Krieg zwischen Rußland und der Türkei, in welchem
Paskiewitsch Armenien eroberte (1828) und Diebitsch den Balkan über-
schritt und Adrianopel einnahm (1829). Unter preußischer Vermittlungs^bon
kam dort der Friede zustande, der Griechenland die Unabhängigkeit 1329.
brachte, aber nicht die innere Ruhe. Der Regent Capo d'Jstrias wurde
ermordet (1831). Der zum König gewählte bayrische Prinz Otto (1833)
vermochte trotz redlichen Strebens unter den hadernden Parteien keinen
Frieden zu stiften und ward 1862 entthront. Sein Nachfolger, der dänische
Prinz Georg, war nach vierzigjähriger Regierung nahe daran, die drückende
Krone niederzulegen. Griechenland ist bis heute ein Sorgenkind Europas.
England und Frankreich.
§ 96. England. England, obwohl nach außen hin das Land
der strengen Sitte und Ordnung, blieb keineswegs von lebhafter politischer
Gärung verschont. Entsprechend den ganz anders gearteten Verhältnissen
trug auch die politische Bewegung einen ganz anderen Charakter als in
den anderen Staaten. Von Absolutismus der Monarchie konnte auf bri-
tifchem Boden nicht die Rede fein. An der geringen Autorität des König-