Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

154 Die Zeit des Ringens um Verfassungen zc. 
Tendenz- Ludwig Börne und Heinrich Heine ihre giftigen Pfeile gegen das 
literatur^ Vaterland, jener bei aller Schärfe und Leidenschaftlichkeit wenigstens geist- 
voll und nicht unsittlich, dieser dagegen voller Genieinheit und Frivolität 
gegen alles dem Deutschen Heilige. Weit idealer waren die „Spazier- 
gange eines Wiener Poeten", des Grafen Auersperg (Anastasius Grün), 
voller ©ist. und Galle die „Gedichte eines Lebendigen", des charakterlosen 
%TqT' ®eor9 Herwegh. In den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts erhoben 
auch zuerst Frauen in der Belletristik ihre Stimme für Befreiung des 
Weibes aus den Fesseln männlicher Bevormundung und Knechtung, als 
welche das Band der Ehe diesen freien Geistern erschien. Hatte schon die 
geistvolle Frau von Stael für die Emanzipation des Weibes das Wort 
ergriffen, viel weiter in ihren Forderungen ging die Dudevant, bekannter 
unter ihrem Schriftstellernamen George Sand, eine liebevolle Natur, 
welche ein rauhes Schicksal in die Irre geführt hatte. An Leidenschaft¬ 
lichkeit und Kraft kam ihr die Deutsche Fanny Lewald bei weitem nicht 
gleich. Wieviel höher aber standen mit ihren alten Vorurteilen eine 
Annette von Droste-Hülshoff, eine Luise Heusel und viele andere, die in 
stillem, aufopferndem Wirken für andere, im freiwilligen Dienste für Ideale 
oder für Mitmenschen bewiesen, daß eine „Hörigkeit der Frau" nicht besteht, 
wenn sie nur nicht aus den Schranken der Natur heraustritt und sich 
selbst zur Sklavin der Leidenschast, der Einbildung, des Ehrgeizes, der 
Unweiblichkeit macht. Eine echte Frau bestieg in jenen unruhigen Zeiten 
einen der glänzendsten Throne, Viktoria, die Königin von England (20. Juni 
1837), und ward ihrer schweren Ausgabe vollgerecht, ohne je, wie einst 
eine Elisabeth, ihr Geschlecht zu vergessen. 
Die Hätte nicht das salische Gesetz sie von der Erbfolge in Hannover 
S?eben"i837. ausgeschlossen, unter ihrer weisen Herrschaft hätte dieses Land sich glück- 
licher gefühlt, als unter der Hand ihres Oheims Ernst August, der 
seine Regierung mit einer Handlung der Willkür antrat, indem er die 
Verfassung von 1833 durch die altständische ersetzte und sieben Professoren 
der Universität Göttingen, welche an ihrem Eide auf das aufgehobene 
Staatsgrundgesetz festhielten, ihrer Stellung enthob, ja drei von ihnen, 
Dahlmann, Jakob Grimm und Gervinus, des Landes verwies. Diese 
Behandlung der Göttinger Sieben erregte allenthalben einen Sturm der 
Entrüstung und steigerte die Mißstimmung gegen die Regierungen überhaupt. 
Lage in Als der preußische Minister von Rochow eine Zustimmungsadreffe 
spieit&en. Professor Albrecht, einen der gemaßregelten Sieben, zu Gesicht bekam, 
sprach er über diese Anmaßung von Untertanen. Handlungen eines Staats- 
Oberhauptes zu beurteilen, scharf feine Mißbilligung aus (15. Januar 
1838). Das aus seiner Erwiderung geschlossene Wort vom „beschränkten 
Untertanenverstand" kennzeichnete den Dünkel der tüchtigen, aber von 
ihrem Herrschervorrecht überzeugten preußischen Bureaukratie. Die Hoff¬ 
nungen, welche viele auf den nach dem Urteil des Schwaben Paul Pfizer
	        
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