Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

Erhebung Preußens zur Großmacht durch Friedrich II. 
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kläglicher zutage getreten, als während des Ringens des einen „Geächteten" 
gegen Reich und Österreich, des Reiches Haupt. Friedrichs Politik zielte 
nur auf die Größe Preußens, nicht auf Wiederherstellung der Einheit und 
Kraft des Reiches durch festen Zusammenschluß der Glieder um und unter 
das Haupt; im Gegenteil trat er im Interesse Preußens ein für die Er- 
Haltung der kraftlosen Reichsversassuug, wenn Österreich den Versuch der 
Änderung unternahm, und dennoch ward er zum deutschen National- 
Helden, weil er die Franzosen besiegte, weil er durch seine Taten der 
deutschen Dichtung wieder wahren und höheren Lebensgehalt verschaffte, 
wie Goethe hervorhebt, und seinem Staate die Bedeutung einer die 
schwächeren Reichsglieder an sich ziehenden Zentralkraft verlieh. Österreichs 
Schwerpunkt lag seit der Türkenbesieguug im Osten. Auf die Dauer 
konnte es der Aufgabe, das Reich an der Westgrenze zu schirmen und in 
den Welthändeln ein entscheidendes Wort zu sprechen, infolge seiner Lage 
nicht mehr entsprechen. Die führende Rolle in Deutschland mußte ein- 
mal ein mehr in Deutschland wurzelnder Staat übernehmen. Preußens 
Entwicklung deutete darauf hin, daß ihm diese Stellung zufallen werde. 
Allmählich gestaltete sich das Verhältnis so. daß jeder Machtzuwachs 
Preußens für diese einstige Lösung der deutschen Frage einen Fortschritt 
bedeutete. Friedrich der Große dachte nicht daran. Kaiser des viel- 
gliedrigen Körpers zu werden. Die verfrühte Erhebung Preußens zur 
führenden Macht hätte auch höchstens eine förmliche und vielleicht unheil¬ 
volle Spaltung des Reiches in Nord und Süd herbeigeführt. Was er 
für Preußen erreicht hat, war Gewinn genug für dieses und — vom 
Standpunkt des heutigen Beschauers aus — für Deutschland. Zu seiner 
Zeit waren weite Kreise nicht preußisch, aber „fritzisch" gesinnt. 
§ 51. Friedrichs Friedenstätigkeit. Hatte auch Sachsen unter 
den unaufhörlichen Durchzügen, Einlagerungen, Kämpfen, Requisitionen, 
ja bis nach dem Friedensschlüsse noch durch Aussaugung aller Art am 
härtesten gelitten, die preußischen Laude bedurften nicht weniger des „Re- 
tablifsement", denn sie glichen nach Friedrichs eignen Worten einem von 
Wunden zerriffenen Körper. Die erste Sorge des Königs galt der Land- ,8anb= 
Wirtschaft, dem Handel und dem Gewerbe, kurz dem ganzen wirtfchaft-toirt^aft' 
lichen Leben, dessen Hebung ihm von jeher am Herzen gelegen hatte. Der 
augenblicklichen Notlage suchte er durch Geldunterstützungen (etwa 24 Mil¬ 
lionen Mark), Spenden von Saatkorn und Vieh zu steuern. Der stark 
gelichteten Bevölkerung führte er neue Kräfte durch fremde Ansiedler zu. 
Schon in der ersten Friedenszeit nach 1745 ließ er den großen Oder- 
brnch trocken legen und besiedeln. Später erfreuten sich die neuen Er¬ 
werbungen Westpreußen und der Netzedistrikt in dieser Hinsicht seiner 
besonderen Fürsorge. Im ganzen siedelte er etwa 300000 Kolonisten in 
500 Dörfern an. Um die Wirtschaft aus dem niedrigen, beschränkten 
Weltgeschichte für die Oberstufe d. Studienanst. 3. Bd. k
	        
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