Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

Politische Ereignisse in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Friedrichs d. Gr. 77 
europäischen Bundesgenossen zum Abschluß der sog. Provisionsartikel (No¬ 
vember 1782) benutzte. England erkannte die Unabhängigkeit der drei- 
zehn Staaten an und schloß im folgenden Jahre zu Versailles mit den~ 
übrigen Mächten Frieden. Seine Herrschaft zur See war behauptet. 1783. 
Holland vermochte nicht mehr, sie ihm streitig zu machen. 
Hatte bis jetzt Franklin, ein merkwürdiger, vielseitiger, aus deuVerfassung 
einfachsten Verhältnissen durch Tatkraft emporgekommener Mann, „der 
dem Himmel den Blitz, das Zepter dein Tyrannen entriß", im Gewände 
hinterwäldlicher Biederkeit sich als guten Diplomaten bewährt (1706— 
1790), so fiel nun dem ersten Präsidenten der Union Washington 
(1789—1797) die schwere Aufgabe der dauernden Einigung der unter- 
einander hadernden Staaten durch eine den verschiedenen Interessen gerecht- 
werdende Verfassung zu. Dem hochherzigen Manne gelang das Werk 1787. 
Nach dieser im einzelnen allmählich verbesserten Verfassung bilden die 
Vereinigten Staaten von Nordamerika, die sich um das von Mexiko durch 
Krieg gewonnene Texas (1835) und Kalifornien (1848) bis an den 
Großen Ozeau erweiterten und jetzt 45 Staaten umfassen, einen Bundes- 
st (tat (Föderativ-Republik) mit gemeinsamer Regierung unter einem auf 
vier Jahre gewählten, wieder wählbaren Präsidenten, dem Träger der 
ausübenden Gewalt, der den Buud nach außen vertritt, alle Bundes- 
beamteu ernennt, den Oberbefehl über die Land- und Seemacht und ein 
aufschiebendes Einspruchsrecht (suspensives Veto) gegen die Beschlüsse des 
Kongresses besitzt. Dieser, der Trüger der gesetzgebenden Gewalt, be- 
steht aus zwei Kammern, dem von den Einzelstaaten durch je zwei Ver- 
treter auf sechs Jahre beschickten Senat und dem vom souveränen 
Volke gewählten Repräsentantenhause. Gemeinsame Angelegenheiten 
sind die auswärtige Politik, das Heer und die Flotte, Münzen, Maße, 
Gewichte, das Besteuerungsrecht. Die inneren Angelegenheiten ordnet 
jeder Staat für sich. Streitigkeiten der Staaten untereinander entscheidet 
ein Bundesgericht. Im ganzen Bunde herrscht vollständige Religions- 
sreiheit. Zu Ehren des ersten Präsidenten erhielt die neue Bundeshaupt- 
ftabt seinen Namen. Washington starb als Privatmann am 14. Dezember 
1799, einer der größten Männer der Geschichte, der größte Amerikaner. 
Ängstlich wachen die Vereinigten Staaten darüber, daß keine europäische 
Macht sich in amerikanische Angelegenheiten einmischt. Dieser nach dem 
Präsidenten Monroe genannte „Doktrin" mit dem Grundsatz „Amerika 
den Amerikanern" haben die mit ungeheurer Tatkraft begabten, erwerb- 1823. 
süchtigen „Jingos" allmählich eine für andre Staaten etwas demütigende 
Auslegung gegeben, indem sie ihre Vormundschaft auf Mittel- und Süd- 
amerika auszudehnen begannen. Die schwere Krisis eines Bürgerkrieges 
zwischen den Nord- und den Südstaaten, zwischen dem Prinzip der Bundes- 
einheit und der Staatenbündlerei, überstand die Union (1861 —1865). 
Als Bundesstaat von neuem gekräftigt, ist sie zu einer Weltmacht ge-
	        
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