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Welt als ein mustergiltiges Vorbild sprachlicher Darstellung betrachtete, ist
der berühmte Redner und Staatsmann M. Tullius Cicero. Von seinen
Schriften sind erhalten: etwa 50 Reden, mit denen er zum Teil große
Wirkung hervorbrachte (wie die Catilinarischen, Philippischen u. a.), mehrere
Schriften über die Redekunst („vom Redner", „Brutus oder über berühmte
Redner"). Auf seine eigenen Lebensverhältnisse, wie auf die allgemeinen Zn-
stände jener Zeit verbreiten ein lehrreiches Licht seine zahlreichen „Briefe"
Außerdem hat er mehrere philosophische Schriften verfaßt, in welchen er
nach Art der griechischen Meister, aber ohne deren geistige Selbständigkeit
und Gedankentiefe Betrachtungen über allgemeine Fragen entwickelt, wie in
den „Drei Büchern von den Pflichten", „von dem Wesen der Götter" und
in den nach seinem Landgute Tusculum benannten „Tuseulanischen Dispu-
tottonen". — Als philosophischer Schriftsteller der nachaugusteischen Zeit
ist Seneca, der Lehrer des Nero, hervorzuheben (Abhandlungen über „die
Gemütsruhe", „die Milde", „den Zorn", „Trostschriften").
2. Von großer Vollendung ist die römische Geschichtschreibung.
Julius Cäsar selbst hat seine Erlebnisse und Erinnerungen in klassischer
Form niedergeschrieben; namentlich sind seine „Denkwürdigkeiten vom gallischen
Krieg" Muster einer in klarem, schmucklosem Stile gehaltenen lebensvollen
Berichterstattung. C. Sallnstins Crispus (85—35 v. Chr.) beschrieb den
„Catilinarischen Krieg" und den „Jngurthiuischen Krieg" in einer färben-
reichen und fesselnden Darstellung. Unter Augustus lebte T. Livius aus
Patavium (Padua) 59 v. Chr. bis 17 n. Chr., der in einem großen, Volks-
tümlichen Werke von 142 Büchern (etwa y4 sind erhalten) die Geschichte
Roms von der Erbauung der Stadt bis zum Tode des Drusus behandelte.
Die kunstmäßige Geschichtschreibung fand unter Trajan ihren großen Meister
in Cornelius Taeitus, der in seinen unvollständig erhaltenen „Annalen"
(16 B.) die Zeit von dem Tode des Augustus bis Nero und in seinen
„Historien" (5 B.) die Zeit von Galba bis Domitian in lakonisch knappem
Stile beschreibt. Im Vorgefühle des Untergangs des Römischen Reiches
entwirft er mit hohem sittlichen Ernste ein erschütterndes Bild der Kaiserzeit,
die er „schwarz in schwarz" malt. Eine Art von Gegensatz dazn bildet seine
kleine Schrift „Germania", in welcher er dem entarteten Römervolke das
gesunde, kräftige, sittenlautere Barbarenvolk der alten Germanen gegenüber-
stellt. — Neben ihm ist sein Zeitgenosse C. Suetonins zu erwähnen,
welcher 12 Kaiserbiographien schrieb.
3. Von anderen bedeutenden Schriftstellern sind hervorzuheben: die
beiden Plinius aus Como. Der ältere Plinius ist der Verfasser einer
großen „Naturgeschichte", die er mit ungewöhnlicher Belesenheit aus einer
Menge früherer Werke zusammentrug, und welche eine zusammenfassende Dar-
stellnng des gesamten Wissens seiner Zeit enthält (Encyklopädie). Er ver-