Die Eroberung durch Philipp von Makedonien 359 — 338.
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tapfer im Kampf. Ein reisiger, Rossezucht liebender Adel hatte einen be-
deutenden Einfluß. Das in Ägä, später in Pella residierende Königs-
geschlecht, das sich von den Herakliden ableitete und die Verbindung
mit Griechenland zu pflegen suchte/) hatte gegenüber den Selbständigkeits-
bestrebungen des Adels und der einzelnen Landschaften oft einen schweren
Stand, zumal es selbst durch Thronstreitigkeiten vielfach zerspalten wurde
und man mit den wilden thrakischen und illyrischen Bergstämmen harte
Kriege zu führen hatte.
So gingen denn auch der Thronbesteigung Philipps II., des^M
dritten Sohnes des Amyntas, vielfach Wirren voraus, in deren Verlauf er
auch einige Zeit als Geisel im Hause des Epaminondas in Theben
zubrachte. Da konnte er die Schwächen der griechischen Kleinstaaten, die
Bestechlichkeit ihrer führenden Staatsmänner, den Egoismus ihrer Be-
strebungen kennen lernen, aber auch die Grundzüge der militärischen Fort-
schritte in der Schule des Epaminondas. Sobald er seine Stellung durch
Besiegung seiner Mitbewerber um den Thron, die von Athen aus unter-
stützt wurden, und durch Zurückweisung der ins Land eingefallenen Barbaren
gesichert und zugleich die Stämme Thrakiens und des inneren Make-
doniens, unruhige, tapfere Völkerschaften, unter feste Botmäßigkeit zu
beugen vermocht hatte, machte er sich an größere Unternehmungen. Er
war ein Mensch von außerordentlichem Ehrgeiz und Tatendrang, ge-
wissenlos in der Wahl seiner Mittel, ein äußerst verschlagener Diplo-
mat, zugleich ein Organisator, der die Kräfte seines so lange zer-
splitterten Landes zu einigen wußte und insbesondere das Heer dadurch
vervollständigte, daß er zu der nationalen schweren Reiterei des Adels, den
Kameraden des Königs (halgoi), die nach griechischem Muster gebildete
Phalanx des mit 5 m langen Speeren (oagioa) bewaffneten, in 16 Mann
tiefem Viereck aufgestellten Fußvolks (rcethagoi) hinzufügte (Allgemeine
Wehrpflicht.) Auch griechische Söldner nahm er in seinen Dienst, und aus
den Bergvölkern bildete er leichte Truppen in Jphikrates' Art. Seine -
Pläne gingen zunächst darauf, die von Griechenstädten besetzte Küste zu
erobern und Makedonien dadurch mit der See und dem Seeverkehr in un-
mittelbare Berührung zu bringen;2) sodann gedachte er über das gespaltene
und uneinige Hellas die Herrschaft zu gewinnen; endlich nahm er den Ge-
danken des panhellenischen Rachekrieges gegen Persien auf und plante einen
Zug in den Orient.
1) Euripides unb der Maler Zeuxis hatten am Hose des Königs Archelaos von
Makedonien gelebt; ersterer starb dort 399.
2) Man denke an des großen Kurfürsten Absichten auf Pommern, die Peters des
Großen auf die Küsten der Ostsee und des Schwarzen Meeres.