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Tie Entdeckungen.
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Christoph Kolumbus war von ihrer Richtigkeit so überzeugt, daß er
seinen Plan darauf gründete, nach Westen zu fahren, um Indien zu erreichen.
Fast ein Jahrzehnt lag zwischen dem Tage, an dem er seinen Plan
zum erstenmal in Lissabon aussprach, und dem 3. August 1492, au dem
er mit drei Schiffen im Dienste der Königin Jsabella von Kastilien den
spanischen Hafen Palos verließ, nachdem am Anfang des Jahres durch
die Eroberung Granadas die Mauren endgültig von der Halbinsel ver-
drängt worden waren.
Am 12. Oktober 1492 landete Kolumbus an der Insel Guana-Tmtd-ckung
hani (Watlingsinsel in der Bahamagrnppe) und besuchte darauf vor JS"5
seiner Heimkehr Kuba und Haiti. Im nächsten Jahre unternahm er
an der Spitze einer ganzen Flotte zum zweiten Male die Fahrt, 1498
die dritte. Aber den glänzenden Posten eines Vizekönigs der neuentdeckten
Länder auszufüllen, fehlten ihm die großen Herrschergaben. Er be-
ging Mißgriffe und fiel beim König in Ungnade; er wurde daher ab-
berufen und kehrte in Fesseln nach Europa zurück. Hier erhielt er seine
Freiheit wieder, aber nicht seine Stellung als Statthalter. Nachdem er
bereits auf der dritten Fahrt das Mündungsgebiet des Orinoko gefunden
hatte, gelangte er auf seiner vierten Reise, die er 1502 antrat, an die
Küste von Honduras. Im Jahre 1506 starb er, ohne zu wissen, daß er
der Entdecker eines neuen Erdteils sei; er hielt bis zu seiuem Tode jene
Länder für Teile Asiens. Erst 1513 durchquerte Balboa unter den
größten Mühsaleu im tropischen Urwalde den Isthmus von Panama uud
entdeckte den Stillen Ozean (bie „Südsee").
Unterdessen aber war .dem Portugiesen Vasco da Gama die Lösung ^
der ursprünglichen Hauptaufgabe, den Seeweg nach Indien zu finden, ge-
lnngen, indem er das Kap der Guten Hoffnung umschiffte und in Kalikut,
dem Mittelpunkte der gesuchten indischen Gewürzmärkte, landete. Seinem
Ersolge gegenüber trat im Urteil der Zeitgenossen die Tat des Kolumbus
in den Hintergrund; demgemäß wurde auch die Neue Welt nicht nach
ihrem Entdecker, sondern nach dem Florentiner Amerigo Vespncci,
der die erste Beschreibung derselben veröffentlichte, Amerika genannt.
Im Jahre 1521 fand Ferdinand Magalhäes, ein Portugiese inWcitumsege.
spanischen Diensten, die bisher vergebens gesuchte Durchfahrt aus dem Iu"9cn"
Atlantischen in den Stillen Ozean und setzte seine Fahrt in westlicher
Richtung fort. Während er selbst auf einer Insel der Philippinen-Gruppe den
Tod sand, gelangte eins seiner Schiffe glücklich nach Spanien zurück und voll-
endete so die erste Weltumsegelung. Sir Francis Drake, der fünfzig
Jahre später die Erde zum zweitenmal umsegelte, begründete mit seiner
Fahrt den Ruf der englischen Marine.
Wenige Jahre nach der Entdeckung des Seewegs nach Ostindien be- Porw-
gründete Cabral, der, durch einen Sturm verschlagen, zuerst die Oftfüfte^nun.
Brasiliens berührt hatte (1500), die ostindische Herrschaft der Portu-
giefen (1505—1515). Kaum hatten sie nämlich erfahren, daß Indien
nicht die Heimat, fondern nur der Markt der Gewürze fei, diefe vielmehr
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