Full text: Erzählungen aus der neuesten Geschichte (1815 - 1881) (Teil 3)

— 92 - 
daß der König niemals die Verfassung außer Kraft setzen und 
Andere von deren Beobachtung entbinden dürfe. Das Recht, 
Gesetze vorzuschlagen, welches bisher nur dem Könige gehörte, 
wurde dem Könige, den Pairs und Deputirten gleichmäßig 
eingeräumt. Die Errichtung außerordentlicher Gerichtshöfe 
ward für ungesetzlich erklärt, die Verantwortlichkeit der Minister 
durch Erweiterung der Befugniß, sie vor der Pairskammer 
anzuklagen, erhöht. Am 7. August wurde die so veränderte Ver- 
fassung von der Mehrheit der Deputirten und den Pairs an- 
genommen und zugleich trotz der glänzenden Rede Chateau- 
briand's, der für die Rechte Heinrichs V. sprach, beschlossen, 
die erledigte Krone dem Herzog Louis Philipp von Orleans 
zu übertragen. Noch an demselben Abend zogen die Depu- 
tirten und die Pairs nach dem Palais Royal und übergaben 
dem Statthalter die Erklärung, die ihn zum Throne berief. 
Am 9. August beschwor Louis Philipp die Verfassung und 
bestieg als König der Franzosen — anstatt des bisherigen 
Königs von Frankreich — den Thron unter dem Donner der 
Geschütze und dem lebhaften Rufe: „Vive le roi!" In seiner 
Rebe äußerte er, daß er nach seinen früheren Erinnerungen 
gewünscht habe, den Thron nie zu besteigen, und daß er, in- 
dem er es dennoch thue, nur dem Gebote der Vaterlandsliebe 
gehorche. 
Die meisten der von Karl X. ernannten Pairs verloren, 
da sie sich weigerten, dem „Bürgerkönige" den Eid zu leisten, 
ihre Stellen. Lafahette ward Oberbefehlshaber der neu er- 
richteten Nationalgarde. Die Minister Karls X. wurden 
wegen Abfassung und Unterzeichnung der Ordonnanzen vor 
Gericht gestellt. 
So ward die Revolution des Juli 1830 geschlossen, und 
der Stern der Bourbonen war zum dritten Male unter- 
gegangen; wie lange aber die Sonne des Julithrones über 
Frankreich leuchten werde, lag im Dunkel der Zukunft.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.