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daß der König niemals die Verfassung außer Kraft setzen und
Andere von deren Beobachtung entbinden dürfe. Das Recht,
Gesetze vorzuschlagen, welches bisher nur dem Könige gehörte,
wurde dem Könige, den Pairs und Deputirten gleichmäßig
eingeräumt. Die Errichtung außerordentlicher Gerichtshöfe
ward für ungesetzlich erklärt, die Verantwortlichkeit der Minister
durch Erweiterung der Befugniß, sie vor der Pairskammer
anzuklagen, erhöht. Am 7. August wurde die so veränderte Ver-
fassung von der Mehrheit der Deputirten und den Pairs an-
genommen und zugleich trotz der glänzenden Rede Chateau-
briand's, der für die Rechte Heinrichs V. sprach, beschlossen,
die erledigte Krone dem Herzog Louis Philipp von Orleans
zu übertragen. Noch an demselben Abend zogen die Depu-
tirten und die Pairs nach dem Palais Royal und übergaben
dem Statthalter die Erklärung, die ihn zum Throne berief.
Am 9. August beschwor Louis Philipp die Verfassung und
bestieg als König der Franzosen — anstatt des bisherigen
Königs von Frankreich — den Thron unter dem Donner der
Geschütze und dem lebhaften Rufe: „Vive le roi!" In seiner
Rebe äußerte er, daß er nach seinen früheren Erinnerungen
gewünscht habe, den Thron nie zu besteigen, und daß er, in-
dem er es dennoch thue, nur dem Gebote der Vaterlandsliebe
gehorche.
Die meisten der von Karl X. ernannten Pairs verloren,
da sie sich weigerten, dem „Bürgerkönige" den Eid zu leisten,
ihre Stellen. Lafahette ward Oberbefehlshaber der neu er-
richteten Nationalgarde. Die Minister Karls X. wurden
wegen Abfassung und Unterzeichnung der Ordonnanzen vor
Gericht gestellt.
So ward die Revolution des Juli 1830 geschlossen, und
der Stern der Bourbonen war zum dritten Male unter-
gegangen; wie lange aber die Sonne des Julithrones über
Frankreich leuchten werde, lag im Dunkel der Zukunft.