fullscreen: Lesebuch für die Sonntagschulen der Pfalz

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den Straßen. Gedrängtbesetzte Straßen- und Pferdebahnen, lastbeladene 
Automobile, Motorräder, Fahrräder und Fuhrwerke aller Art kreuzen 
und queren Straßen und Plätze. Die Häuser sind mit einem Spinnen¬ 
gewebe von Telephon-, Telegraphen- und Straßenbahndrähten verbunden. 
Ununterbrochen brausen die Eisenbahnzüge in die zahlreichen Bahnhöfe. 
Hier ist jede Minute und Sekunde kostbar, hier ist „Zeit — Geld". 
Steigen wir nun einmal in die Staatsbahn oder Lokalbahn oder 
in die „Elektrische" und geben unser Reiseziel mit „Remscheid" an. 
Durch ein schönes Stückchen Natur gleiten wir dahin, an saftigen Wiesen¬ 
gründen, anmutigen Höhen und arbeitsmunteren Bächen vorbei. Die 
ganze Landschaft ist gesprenkelt mit alleinstehenden Häusern, die mit 
ihren grünen Läden und weißen Fensterrahmen einen freundlichen Ein¬ 
druck machen. Aus diesen Häusern heraus vernehmen wir zunächst das 
wellcnartig-wogende Geräusch des Bandstuhles, das in der Nähe von 
Remscheid abgelöst wird durch das gleichmäßige Ticken und Tippen des 
daheim arbeitenden Feilenhauers. Wir nähern uns also der Eisen- und 
Stahlwarenindustrie von Remscheid und Solingen. Die Stadt Remscheid 
mit ihren vielen Schloten, mit ihren Wasser- und Kirchtürmen krönt 
einen von tiefeinschneidenden Tälern umgebenen Bergkegel. Die Täler 
mit ihren Bächen sind von Hammerwerken dicht besetzt. „Im Takte pocht 
der Hämmer Schlag und bildsam von den mächt'gen Streichen muß 
selbst das Eisen sich erweichen." Ambosse erklingen, Essen glühen, Feilen 
schrillen. Sensen, Sicheln, Sägen, Schlittschuhe, Feilen, Hobel, Bohrer, 
kurzum: Hunderttausende von tausenderlei Werkzeugen werden jährlich in 
Remscheid hergestellt und nach allen Weltteilen verschickt. 
Um ein Riesenwerk deutscher Industrie kennen zu lernen fahren wir 
von Remscheid mit der Bahn in einer Viertelstunde hinüber zur Schwester¬ 
stadt Solingen auf dem benachbarten Berge; nur das sehr tiefe Tal 
der Wupper scheidet beide Städte. Dabei kommen wir über die 107 
Meter hohe und einen halben Kilometer lange eiserne „Kaiser-Wilhelm¬ 
brücke", ein Meisterwerk deutscher Industrie für die Industrie, und wil 
sind in der Stadt der Schwerter-, Messer- und Scherenfabrikation, in 
Solingen, einem Orte von Weltruf. Besteigt man die Straßenbahn um 
die Stadt zu durchqueren, so befremdet es, daß man keine Schaufenster mit 
Messern sieht; desto mehr Frauen und Kinder trifft man aber, die, mit schwe¬ 
ren Körben beladen, aus denen Klingen, Griffe und Gefäße herausschauen, 
hier und dort aussteigen und den Fabriken zueilen. Die einzelnen Teile 
werden nämlich alle durch Heimarbeit hergestellt, während das Schleifen, 
Polieren und Zusammensetzen in den Fabriken besorgt wird. Der Ver¬ 
sand geschieht im großen. Die meisten Armeen der Welt haben ihre Stich-, 
Stoß- und Hiebwaffen aus diesen Waffenschmieden. 
Remscheid und Solingen sind infolge ihrer hohen Lage sehr wasser¬ 
arm. Um diese Städte mit Wasser zu versorgen hat man durch riesige, 
nach innen gebogene Mauern von dreißig bis fünfzig Meter Höhe, durch
	        
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