Full text: Die vorchristliche Kulturwelt (Hauptteil 1)

130. Die deutsche Ilordpolar - Expedition. 
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Schon vorher hatte man, um Raum im Schiffe zu gewinnen, alle Vorräte und 
Gerätschaften, die für den Augenblick entbehrlich waren und durch Frost nicht 
leiden konnten, ans Land geschafft und so gut wie möglich gegen die Zerstörung 
durch Eisbären gesichert. 
Während am nächstgelegenen Strande zwei Beobachtungsstationen (für astro¬ 
nomische und für magnetische Zwecke) roh aus Stein erbaut wurden, führte der 
Zimmermann im Innern des Schiffes einige Verbesserungen für den Winter aus. 
Die Kajüte ward etwas erweitert, sodaß ihre Sohle gegen 4 Meter im Quadrat 
enthielt. Dieser enge Raum beherbergte, abgesehen von einem großen Arbeits¬ 
tisch, dem großen Mast, dem Ofen, auch noch 7 Menschen mit ihrem Gepäck; 
aufstehend stieß man mit dem Kopf an die Deckbalken, an den Wänden befanden 
sich 8 Kojen als Schlafstellen, immer je 2 über einander.' Hier wohnten der 
Lieutenant, der Bootsmann, der Untersteuermann, der Maschinist und 3 junge 
Gelehrte. Der Kapitän und der Obersteuermann hatten einen kleinen mit der 
Kajüte in Verbindung stehenden Verschlag inne, und das Mannschaftszimmer für 
8 Seeleute, das zugleich als Küche diente, war von der Kajüte nur durch eine 
Thür getrennt. 
Mehr und mehr wurde die Besatzung schweigsam und ernst. Stetig ver¬ 
kürzte sich der Tagesbogen der Sonne, Woche für Woche steigerte sich der Frost 
Um einige Grad, selten zeigte sich ein Eisbär oder ein weißer Fuchs, das Land 
wurde felsenhart, ringsumher herrschte die tiefste Einsamkeit. Doch noch blieb 
das Wetter herrlich und die Luft trocken. Auf Schlitten wurden noch häufige 
Ausflüge unternommen, auch auf Schlittschuhen, und manche interessante Ent¬ 
deckungen hinsichtlich der Geschichte der Erdoberfläche belohnten die unsäglichen 
Anstrengungen, die mit jenen Reisen verbunden waren. 
Am 6. November ging die Sonne für volle 3 Monate unter, doch gewahrte 
man noch am 11. November von einem beinah 300 Meter hohen Standpunkt 
aus dicht am Horizont eine strahlenlose, ovale, mit der Glut einer Kohle ver¬ 
gleichbare Lichterscheinung von scharfer Begrenzung, die man im ersten Augenblick 
für die Sonne halten konnte. Und noch brach in den Vormittagsstunden der 
nächsten Wochen ein gegen Mittag an Stärke zunehmendes Rot durch den leicht 
bewölkten Himmel, welches die Spiegelflächen des Eises gelb und hellgrün färbte, 
während die dem Licht abgewandten Berghänge eine einförmige, grau-violette 
Farbe zeigten. 
Nach dem 6. November ließen sich auch die Eisbären nicht mehr blicken, 
aber gleichzeitig begann eine lange, bis zum Mai dauernde Reihe von Schnee¬ 
stürmen, die oft 3 Tage lang mit ununterbrochener Heftigkeit wüteten und das 
Schiff in seiner eisigen Umhüllung erbeben machten. Durch das Zeltdach des¬ 
selben drang die Schneeflut wie durch ein Sieb und lagerte sich fußhoch auf Deck; 
die Masten knarrten wie die sturmbewegten Bäume eines Hochwaldes, in hastig 
gleichmäßigem Takte klapperten lose Tauenden an denselben, und der ächzende 
Schiffsleib zitterte im Anprall der heulenden Böen. 
Das Eis, in welchem das Schiff regungslos eingebettet lag, hatte schließ- 
llch eine Dicke von 2 Meter erreicht, aber trotzdem rissen die Winterstürme das¬ 
selbe wiederholt bis in eine Nähe von 300 Schritt auf, sodaß immer noch die 
Gefahr vorhanden war hinauszutreiben und zu zerschellen. Dieses Aufbrechen der 
Eisfelder war stets von einem dichten „Frostdampf" begleitet, welchen das offene
	        
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