82
am Leben geblieben war, erzählte, wie sie ihm mitgespielt hatten,
da er ihnen doch nie etwas Leides getan, war des Rates Bescheid:
des Werkes weiterer Bau gebühre ihm, denn gleich wundersam habe
Gott die zwei Bösen vernichtet und ihn aus Lebensgefahr errettet;
es stehe ihm auch frei ein Wahrzeichen dessen zu setzen. Darauf
sagte der Baumeister: „Das sei ferne von mir; eher will ich der
argen Tat Spur ganz verwischen!" Darauf war sein erstes, daß
er das Fenster zumauerte. Die Sage aber konnt' er nicht vertilgen.
Nach Fr. Trautmann.
67. Der Meisterlrunk.
Tapfer hatten sich die Rothenburger Bürger gegen das kaiser¬
liche Heer gewehrt, aber endlich geriet die Stadt doch in die Hände
der Belagerer. Da suchte man den Sieger so milde als möglich zu
stimmen und richtete dem Feldherrn Tillh und seinen Generalen
ein stattliches Mahl auf dem Rathause zu. Dabei ward nun den
Gästen in einem großen Humpen, der noch heutigen Tages zu sehen
ist, Wein kredenzt vom Rothenburger Gewächs, dem besten. Wie
nun Tillh den Becher an den Mund setzte, fand er den Wein ganz
abscheulich und vermeinend, daß die Rothenburger ihm diesen Trank
zum Spotte gereicht, ergrimmte er in Zorn und sprach zu Bürger¬
meister und Ratsherren: „Dieser euer Wein soll euch schlecht be¬
kommen; denn ich sage euch, wenn nicht einer von euch diesen
Humpen auf einen Zug austrinkt, so seid ihr alle des Todes!"
Und er ließ auch sogleich den Scharfrichter holen, daß er bereit
stehe mit seinem Schwerte um einem nach dem andern den Kopf
abzuhauen. Wie nun alle zauderten und entsetzt den Humpen an¬
blickten, denn der enthielt mehr des Weines, als sonst ein gesetzter
Trinker zu sich nimmt, da trat der Bürgermeister Rusch hervor und
sprach: „In Gottes Namen, ich will's versuchen!" Und er hob an
und trank und trank mit einem Zuge das ganze Gefäß aus. Also
sind Bürgermeister und Ratsherren mit dem Leben davongekommen
und der Scharfrichter ist unverrichteter Dinge wieder abgezogen.
Ein Rothenburger Meister hat diese Begebenheit in ein Spiel
gebracht, seiner Stadt zu Ehren und Gedächtnis. Und da spielen
die Bürger selbst mit und viel Volk kommt um zu sehen den Meister¬
trunk von Rothenburg. Nach L. A u e r b a ch e r und H. H e i n e r.