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Güter stark bedrohte (§43 Anm.) Stand der unabhängigen
kleinen Grundbesitzer auch auf deutschem Boden immer
mehr zusammen und neben den königlichen Vassallen ent¬
standen auch zahlreiche Vassallen von Privaten. Karl schärfte
zwar die Dienstpflicht auch für die Besitzer von Beneficialgut
ein, aber diese zogen nun nicht unter dem Grafen, sondern
unter ihrem Beneficialherren (senior, seigneur), welcher die
Kosten der Ausrüstung und Bewaffnung trug, ins Feld. Dieses
Ueberhandnehmen des Beneficialwesens und der
Vassallitätsverhältnisse (§ 43), welches die Macht der
Grofsen steigerte, trug unter den schwachen Nachfolgern Karls
wesentlich zur Auflösung der Staatsordnung bei1). — Karls
Scharfblick erkannte diese Gefahr und suchte dem kleinen
freien Grundbesitz durch gesetzliche Bestimmungen zu Hülfe
zu kommen, nach welchen nur die Besitzer von Gütern, welche
mindestens vier Hufen umfassten, den Dienst persönlich leisten,
von den Inhabern kleinerer Güter dagegen mehrere zusammen¬
treten und einen Mann gemeinsam stellen und ausrüsten sollten.
Eine Erleichterung anderer Art war, dass zuweilen nur ein
Teil der heerbannpflichtigen Mannschaft ausgehoben ward und von
den Zurückbleibenden eine Beisteuer (adiutorium) erhielt.
Aber auch so blieb der Druck noch grofs genug. — So
tritt unter den Karolingern neben dem alten Heerbann das
Vassallenheer und der Dienst zu Pferde immer mehr in
den Vordergrund.
§ 62. Auch auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung
war, was früher Recht und Ehre der Freien gewesen, jetzt eine
drückende Last geworden. Da der Graf die Dingpflichtigen,
d. h. alle Freien seines Bezirks, zu den sogenannten fge¬
botenen’ Gerichten (§ 46) beliebig oft zur Malstätte ent¬
bieten und von den Säumigen die Strafe (das 'Gewedde’) ein¬
ziehen konnte, so brachte der Misbrauch dieses Rechts die
ohnehin durch die Heerpflicht hart bedrängten kleinen Besitzer,
welche entweder viel Zeit versäumen und ihre Arbeit im Stiche
lassen, oder das Gewedde zahlen mussten, in grofse Not, aus
der sie sich oft nur durch Veräufserung ihres Besitzes retten
konnten. Der Misbrauch aber war ein sehr verbreiteter, da
die Grafen durch Einverleibung der an ihre Besitzungen gren¬
zenden kleinen Bauerngüter den eigenen Grundbesitz zu er¬
weitern suchten (vgl. § 43 Anm.) Um dem hereinbrechenden
Verfall des Freienstandes zu steuern, suchte Karl wie im
Heerwesen so auch im Gerichtswesen die öffentlichen Lasten
zu erleichtern, indem er verordnete, dass zu den gebotenen
J) Im 9. Jahrhundert nahmen die Grafen immer mehr die Rechte-
der Senioren über die Eingesessenen ihres Gaus in Anspruch, wodurch
das Erblichwerden der Grafschaften und die Ausbildung der Territorial¬
herrschaft begünstigt wurde.