Full text: [Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 2 = 4. und 5. Schuljahr, [Schülerband])

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wuchtigen Schneestürmen herein, und so ließ man das angefangene 
Werk liegen zur glücklichen Fortsetzung im nächsten Frühling. 
Doch als im Frühling die arbeitsmutige Schar mit ihrem 
Bauführer von Leba über den See herangezogen kam, da fanden 
sie mit großem Kopfschütteln und Ohrenkratzen, daß hier über Winter 
ein anderer Werkmeister ein mächtig Stück Arbeit vollbracht hatte, 
mit dem sie nimmermehr den Wettstreit aufnehmen konnten. 
Dieser Meister war der Dünensand. Der war vom Ostseestrande 
hereingebraust in die frische Waldlücke wie ein Bergstrom in einen 
Felsenspalt, oder wie flüssige Lava in eine offene Schlucht. Doch er 
war stärker als Lava und kühner als Wasser; denn er vermochte 
auch aufwärts zu klimmen und über jede Höhe hinwegzuschießen, 
gleichviel, ob sie sänftlich geneigt ist oder steil wie eine Mauer. Wo 
man Moos und fette Kräuter im Herbste zurückgelassen hatte, da 
fand man jetzt einen breiten, öden Strich weißgelben Sandes herüber— 
lagernd von Wasser zu Wasser, wie eine gesättigte Riesenschlange. 
Alles Erdgrün hatte er verschlungen und die Grundmauern des 
Schlosses klafterhoch überflossen, und zur Rechten wie zur Linken war 
er in langen Queradern und Seitenzungen hineingezischt in den hohen 
Wald und hatte auch dort schon, heimlich am Boden kriechend, das 
Werk der Verwüstung begonnen. Etlichen jüngeren Bäumen waren 
die Wurzeln seitwärts geschoben, daß sie standen wie die Masten 
eines gestrandeten Schiffes und ihre Äste traurig zu siechen begannen 
unter dem tödlichen Drucke des reibenden Sandstroms. 
So war es denn nichts mit dem Schlößchen auf der Höhe, und 
die Edelfrau ließ am andern Ufer des Sees Pfähle in den schwammigen 
Grund treiben, und darauf stand dann ein Blockhaus. 
Aber der Sandstrom war ein zäher, unwiderstehlicher Eroberer. 
In jedem Herbste begann er einen neuen Feldzus, und wenn dann 
die Sommersonne den Waffenstillstand verkündigte, hatte der Sand 
zu beiden Seiten einen Streifen mehr gewonnen und eine Vaumreihe 
mehr weggefressen. So erweiterte der Seesand sein Gebiet und seine 
Macht, und wer heutigen Tages über die Lebaische Nehrung zieht, 
nachdem noch etwa acht Menschengeschlechter vorübergegangen sind, 
der findet auf Meilenstrecken den Wald verzehrt, und die Düne ist 
die einzige Herrscherin im Lande. 
In jenen Jahren, da der Sandwust nur erst ein mäßiger 
Streifen war, kamen einmal im Sommer wenige geflüchtete Bauern 
in den Kieköwerschen Forst, um sich vor den Wallensteinern zu bergen, 
und da sie der Jagdherr, um die Ruhe seines Wildes besorgt,
	        
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