Full text: Übersichten zur preussisch-deutschen Geschichte

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aus dem göttlichen Recht her, betrachtet sich allein als verkörpertes gesetz¬ 
gebendes Prinzip und legt im „trüben Dunstkreise höfischer Selbst- 
vergötterung und Menschenverachtung“ das entscheidende Gewicht auf 
Formen und Formeln (vgl. die diokletianisch-konstantinische Monarchie). 
§ 105. Die Auffassung vom Fürstentum bei den preufsischen Herrschern 
bis 1740. Ernste Betonung der Pflichten neben den Rechten. 
A. Der grofse Kurfürst macht die Landstände thatsächlich bedeutungslos 
durch stehendes Heer und dauernde Steuer, führt ein absolutes1), aber ge- 
gemeinnütziges Regiment und stellt die Pflichten des Herrschers 
über die Rechte2) — also instinktmäfsiger aufgeklärter Absolutismus. 
B. Friedrich I legt das Hauptgewicht auf äufseren Glanz in französischer 
Weise, aber ohne der frivolen höfischen Selbstvergötterung Raum zu 
geben. 
C. Friedrich Wilhelm I fafst den Absolutismus mehr als bevormundende 
privatrechtliche Gewalt, sieht sich als Statthalter Gottes auf Erden an, 
unter rücksichtsloser Verkennung der Rechte des Einzelnen3) und mit 
alleiniger Rücksicht auf das Gesamtwohl des Staates, dem er 
selbst stets in strengster Pflichterfüllung4) sich unterwirft. 
§ 106. Die Aufklärung in Deutschland. 
A. Ziel im allgemeinen. Freie Bewegung der einzelnen Persönlichkeit in 
Wissenschaft und Kunst, Glauben und Denken. Trotz scharfer Kritik der 
Mifsstände weifs man wenig Positives, namentlich auf politischem 
Gebiet, vorzuschlagen. 
B. Wesen im allgemeinen. Mafsvolle Gründlichkeit und religiöser 
Ernst; Katheder und Kanzel sind lange tonangebend. 
C. Die kirchliche Aufklärung — Rationalismus. 
I. Prüfung und Erklärung des biblischen Textes nach philologisch-kritischen 
Gesichtspunkten. 
II. Freie Vernunftforschung (in der Weise des Deismus), bei der aber an 
der biblischen Offenbarung selbst noch festgehalten wird — vermittelnder 
Standpunkt. Sack in Berlin. 
III. Freiste Kritik und zuletzt Verneinung aller Offenbarung. 
D. Die philosophische Aufklärung. 
I. Die Popularphilosophen in Berlin, namentlich Nicolai und Mendelssohn, 
nicht selbständig (Wolff ihr Vorläufer), oft oberflächlich, wollen das von 
der theologischen Beschränkung befreite wissenschaftliche Denken zur 
Grundlage der Volkssitte machen, schaffen die öffentliche Meinung, 
verbreiten die Aufklärung in allen Kreisen und Ständen. 
II. Reinere und tiefere Auffassung in echt wissenschaftlicher Weise. 
1. Lessing in Wolfenbüttel. 
2. Kant in Königsberg. 
3. Herder in Weimar. 
*) „Je mehr Landtage Ihr haltet, je mehr Autorität Euch benommen wird.“ 
warnte er die Nachfolger. 
2) „Sic gesturus sum principatum, ut sciam rem esse populi, non meam pri- 
vatam.“ liefs er seine jungen Söhne lernen. 
3) „Räsonnier’ Er nicht, ist mein Unterthan!“ — »Wir sind König und 
können thun, was wir wollen.“ 
4) „Zur Arbeit sind die Regenten geboren.“
	        
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