68
des Volkes von Privatmensclien — vgl. § 109 A. und D.
— und den sowohl partikularen als weltbürgerlichen Ge¬
sinnungen) in die organische (mit Anteil des Volkes am
Staatsleben) wird vorbereitet durch die vom aufgeklärten
Despotismus als Kulturstaat begründete Macht der Volks¬
bildung und des allgemeineren Wohlstandes — den
Vorbedingungen des konstitutionellen Staates. Friedrich
bereitet letzteren vor auch durch die Herstellung des
Gleichgewichts zwischen Macht und Recht des Ganzen
und Freiheit und Wohlgefühl des Einzelnen.
B. Für die Entwicklung des geistigen Lebens.
I. Unmittelbar nur wenig gefördert.
1) Der preufsische Staat, schnell und mit Anspannung
aller Kräfte gewachsen, ist einseitig bedacht auf das
prosaisch Nützliche *), zeigt seine Thatkraft zunächst
nur auf politisch-wirtschaftlichem Gebiete, steht
so dem aus dem Bürgertum (unbeteiligt an den
staatlichen Aufgaben) hervorgehenden geistigen Fort¬
schritte anfangs fremd gegenüber (vgl. § 117 C. I.),
trotzdem diese beiden schöpferischen Mächte der
neuen deutschen Geschichte dem gleichen Ziele zu¬
streben: der Nation Freiheit, Selbständigkeit und
Selbstgefühl neben den anderen Kulturvölkern zu er¬
ringen.
2) Der König als einseitiger Anhänger des seinem
Empfinden und Denken durch die vornehme Pracht
des Pathos, die Klarheit und Schärfe des Ausdrucks
verwandten französischen Klassizismus steht dem
Aufschwung der deutschen Litteratur kühl ablehnend
gegenüber. 2)
J) „Für alles Andere wufste der Sparsame leichter Ratj(zu schaffen als für
die Zwecke des Unterrichts.“ „Den Bauer läfst man aufwachsenhvie ein Vieh.“ er¬
klärte 1787 der Minister von Zedlitz.
2) Er nennt den Götz „imitation detestable de ces mauvaises pieces anglaises“
und weist Lessing und Winckelmann zurück! So kennzeichnet sich am grellsten
der Zwiespalt, der sein Wesen (wie die Bildung der Deutschen überhaupt) zerrifs.
„In ihm lebte zugleich der französische Schöngeist, der auf die angebliche hoheit
und Geschmacklosigkeit seiner Landsleute voll Verachtung hinuntersah, und der
deutsche Heldenkönig, der mit den derben Fäusten seiner Bauern und dem Degen
seiner treuen Edelleute die Franzosen aus dem Lande schlug.“ Schiller aber gab
ein von ihm beabsichtigtes, zur Verherrlichung Friedrichs bestimmtes Epos
„Leuthen“ auf, weil der Held ihm „zu kalt“ erschien.