Full text: Geschichte des Mittelalters und der Reformationszeit (Teil 8)

152 Das Mittelalter. 
fangen. Im Frieden vom Jahre 1360 wurde die westliche Hälfte von 
Südfrankreich den Engländern als freier Besitz überantwortet. Als nach 
neun Jahren der Krieg von neuem aufloderte, wurde ihnen zwar der 
größte Teil davon wieder entrissen, aber während der Regierung des (vom 
Jahr 1392 an) geistig gestörten Karl VI. kam Heinrich V. über den 
Kanal, siegte bei Azincourt (so. von Calais, 1415) und brachte, 
unterstützt von der einen der beiden um die Gewalt ringenden französischen 
Parteien, den Burgundern, mehr als halb Nordfrankreich in seine Hände. 
Selbst Paris gewann er. Nachdem er sich mit einer Tochter Karls VI. 
vermählt hatte, wurde er von den französischen Generalstaaten als König 
anerkannt. Als er im Jahre 1422 starb, wurde sein zehn Monate alter 
Sohn Heinrich VI. auch von den Pariser Bürgern als sein Nachfolger auf 
Karl vtl dem französischen Throne angesehen. Karl VII., der nach seines Vaters 
1422-1461. Tod das Haupt der französischen Nationalpartei wurde, war nicht geeignet, 
durch eigene Tüchtigkeit das Verlorene zurückzugewinnen. Da ward ihm 
unerwarteter Beistand durch ein schlichtes Bauernmädchen aus Domremy 
Jeanne Darc (dicht an der westlothringischen Grenze) mit Namen Jeanne Darc. Kaum 
1429—1431. kem zarten Alter der Jugend entwachsen (geboren 1412 oder 1402?), schritt 
sie, von dem Glauben beseelt, daß sie auserkoren sei, Frankreich zu befreien, 
den Männern voran in den Streit. Orleans wurde befreit, der Dauphin 
nach der Kröuuugsstadt Reims geführt. Als sie in burgundische Gefangen- 
fchaft geriet, wurde sie an die Engländer ausgeliefert. Ein geistliches 
Gericht erklärte sie unter Mitwirkung der Pariser Universität für schuldig, 
Hexerei verübt zu haben. Sie wurde verbrannt (zu Roueu, 1431). Aber 
die nationale Begeisterung, die sie erweckt hatte, erlosch nicht. Von ihr 
vorwärts getrieben, errangen die Franzosen viele Vorteile. Schließlich blieb 
den Engländern von allen ihren Eroberungen nur noch Calais (1453). Die 
Versuche, nach Deutschland überzugreifen, mißlangen; dagegen wurden durch 
die pragmatische Sanktion von Bonrges (1438) mehrere Maßregeln der 
Basler Kirchenversammlung für Frankreich festgehalten (—1463). Hierzu 
trat die Neuordnung der Staatsverwaltung und des Heerwesens. Mit 
Hilfe reicher Geldquellen, besonders der nun dauernd erhobenen Grund- 
Daserstestehende steuer (taille), die aber nur für bürgerlichen Besitz zu zahlen war, schuf 
Heer in Europa. yjj erfte stehende Heer Europas. Es bestand aus 15 Ordonnanz¬ 
kompagnien zu je 600 Reitern. Mit dem Frieden nahmen Handel und 
Gewerbe sowie der Ackerbau einen neuen Aufschwung. 
Karls Bemühungen, die Macht der großen Lehnsmannen herabzudrücken, 
setzte sein Sohn Ludwig XI. fort, ein Fürst voll Tücke und Hinterlist, 
aber zäh und klug. Gegen Karl den Kühnen, der ihn eine Zeit lang in 
Gefangenschaft hielt, brachte er das Bündnis mit der Schweiz zustande, 
durch welches der Burgunderkönig gestürzt wurde. Er zum ersteumale nahm 
außer schottischen Leibwachen Schweizer (6000) in Sold. Das Herzogtum 
Burgund und einen Teil der Picardie zog er als erledigtes Lehen (1477) 
ein. Nun war nur noch ein großes selbständiges Lehen übrig, die Bretagne. 
Dieselbe brachte Karl VIII. durch seine Vermählung mit der Erbin des 
Landes an die Krone. Im Besitze einer bedeutenden Macht, strebte er über 
die Grenzen Frankreichs hinaus. Bald war ein französisches Heer auf dem 
Ludwig XI. 
1461—1483. 
Karl VIII. 
t 1498.
	        
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