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So glücklich er auch im Schooße seiner Familie lebte, so traf 
ihn doch viel häuslicher Kummer. Vier Frauen starben ihm nach 
einander, und von seinen Söhnen hat ihn nur einer überlebt. Mit 
seinem liebsten Sohne Karl wurden seine letzten Lebensfreuden zu 
Grabe getragen, und er, der mächtige Kaiser, der überall geehrt und 
gefürchtet wurde, erkannte die Hinfälligkeit aller irdischen Größe. Alter 
und Kränklichkeit drückten ihn danieder; er fühlte, daß sich der Tod 
mit starken Schritten nähere. Darum ließ er seinen Sohn Ludwig, 
der fern von ihm in Aquitanien wohnte, nach Aachen kommen. Hier 
versammelte er die fränkischen Großen, und fragte sie, ob sie ihn zum 
Herrn haben, und ihm treu gehorchen wollten. Alle riefen: „ja! denn 
wir erkennen darin den Willen Gottes." Am folgenden Tage ließ 
sich Karl noch einmal den kaiserlichen Schmuck anlegen. In feierli¬ 
chem Zuge schwankte er hinüber nach dem Münster, kniete mit seinem 
Sohne still betend vor dem Altäre nieder, und ermahnte ihn dann 
laut vor allem Volke: vor allen Dingen den allmächtigen Gott zu 
fürchten und zu lieben, seinen Geboten immerdar zu gehorchen, und 
die Kirche Gottes gegen die Bösen zu schützen, seine Schwestern und 
Verwandten nie zu verlassen, die Geistlichen zu ehren, seine Untertha- 
nen wie ein Vater zu lieben, die Armen zu trösten und vor Gott aller 
Wege unsträflich zu wandeln. Zuletzt fragte er ihn gerührt: „Bist 
du auch gesonnen, das alles zu thun, mein lieber Sohn?"— „Ja!" 
rief Ludwig unter Thränen aus, „mit Freuden will ich gehorchen, 
und mit Gottes Hülfe das Alles vollbringen, was du mir befohlen 
hast!" — „Gut!" fuhr Karl fort, „so nimm die Krone mit eigenen 
Händen vom Altäre, und setze sie dir auf das Haupt." Nachdem 
dies geschehen war, begab sich Karl tief gerührt in den Pallast zurück, 
und dankte Gott, daß er ihm vergönnt habe, noch seinen Sohn mit 
der Kaiserkrone geschmückt zu sehen. 
Ludwig reiste wieder ab, und Karl erholte sich so, daß er noch 
einige Wochen lang sich mit der Jagd vergnügen konnte. Aber we¬ 
nige Monate darauf, im Januar 814, bekam er das Fieber, und 
wurde zusehens schwächer. Er ließ seinen Vertrauten, den Bischof 
Hildbald, rufen, und nahm das Abendmahl, um sich auf die große 
Reise in das unbekannte Land vorzubereiten. Am folgenden Tage 
merkte er, daß der Tod herantrete. Mit der letzten Kraft hob er 
seine rechte Hand auf, drückte auf Stirn und Brust das Zeichen des 
heiligen Kreuzes, streckte die Hände noch einmal aus, faltete sie über 
die Brust, und sang mit geschlossenen Augen und leiser Stimme: „in 
ß deine Hände, Vater, befehle ich meinen Geist." 
So entschlief der wahrhaft große Karl am 28sten Januar 
814, im 72sten Jahre seines Alters, nach einer fast 47jährigen glor-
	        
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