4. 340. 
Normannen und Dänen. 
611 
4. Island und Rußland. 
§. 340. Im neunten Jahrhundert entdeckten und bevölkerten Scandina- 
vier (Norweger) die ferne Insel Island, jenes schnee- und eisbedeckte Land 
mit feuerspeienden Bergen, mit heißen Sprudelquellen, mit romantischen Natur¬ 
schönheiten. Bald entstand daselbst ein blühendes Gemeinwesen, „frei von der 
Könige und der Gewaltigen £)ruck", mit der Religion und Sprache, den Ge¬ 
setzen und Einrichtungen des Mutterlandes, so daß, als in der Mitte des 
elften Jahrhunderts das Christenthum dort Eingang fand, bereits eine hohe, 
auf Einfachheit und Sittenreinheit gegründete Cultur vorhanden war. Daher erhielten 
sich hier die Denkmale des Heidenthums am längsten und reinsten (§. 335), 
und als es den christlichen Glaubensboten endlich gelang, mit der Runenschrift 
und den alten Göttern auch die heidnische Poesie zu verdrängen, bewahrte die 
isländische Sprache mit ihrem Reichthum an Formen und Wortbildungen noch 
immer die Spuren der altgermanischen Cultur. Durch Sagen und geschicht¬ 
liche Erzählungen verkürzten und erheiterten die Bewohner die langen Winter¬ 
nächte und ersetzten den ihrer armen und kalten Insel versagten Reiz und Ge¬ 
nuß der Natur durch das Großartige, Romantische und Abenteuerliche der alten 
Heldenlieder. Von Island stammte die Mehrzahl der Skalden, welche noch an 
den christlichen Höfen von Scandinavien die Thaten der Vorzeit erzählten, und 
auf jenem fernen Eilande wurden die beiden großen Sagensammlungen zusammen¬ 
gestellt, welche den Namen der älteren und jüngeren Edda führen und bic 
Hauptquelle der skandinavischen Mhthengeschichte bilden (§. 336). Von Is¬ 
land aus wurde am Ende des zehnten Jahrhunderts Grönland entdeckt und 
bevölkert. Selbst Amerika, von den wildwachsenden Reben Winland ge¬ 
nannt, war den Normannen bekannt. — Um dieselbe Zeit stritten die nor- 
rnännischen Waräger (Wäringer) wider die finnischen und stavischen Völker 
an den Küsten der Ostsee. Da trugen, wie die Ueberlieferung meldet, die in 
wilder Gesetzlosigkeit lebenden Slaven den Russen (Rodsen, d. i. Ruderern), 
einem Stamme der Wäringer, die Herrschaft an. „Unser Land ist gut und 
fruchtbar/' sagten sie, „aber Ordnung ist nicht darin; kommt also über uns zu 
herrschen und zu gebieten!" Die Russen gingen auf den Vorschlag ein, worauf 
ihr streitbarer Fürst Rutil seinen Sitz in Nowgorod aufschlug und Stamm¬ 
vater eines Geschlechts ward, das bis zum Ende des sechszehnten Jahrhunderts 
Über das weite Flachland gebot, aber die Sitten und Sprache der Eingebornen 
annahm. In der großen Masse der slavischen Bevölkerung verloren mit der 
Zeit die normannischen Krieger jede Erinnerung an die alte Stammgenossen¬ 
schaft. Rnriks Nachfolger verlegten ihre Residenz nach Kiew,- bedrohten auf der 
Wasserstraße des Dnjepr das schwache byzantinische Reich und trotzten den Be¬ 
herrschern von Constantinopel Tribut ab. Auch die Chazaren und andere 
slavische Volksstämme wurden unterworfen, und jene sahen sich gezwungen, 
Zins und Schoß, die sie sonst von den westlichen Stämmen zu erheben pflegten, 
nun den Russen zu entrichten. Durch Drohungen erlangte der eroberungs¬ 
süchtige Wladimir der Große, der Enkel der schönen Olga, der ersten christ¬ 
lichen Großfürstin, die Hand der griechischen Kaisertochter Anna, Schwester der 
Theophanla (§. 349). Diese Verbindung gab Veranlassung zur Begrün- 
39* 
8:2. 
Wladlmjr 
fc. @r . ',c 
980- 
1016.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.