■§. 342. Vorherrschaft des deutsch-römischen Kaiserthums. 613
Len Beispiele die allemannischen Grafen Erchanger und Berthold, die ihr
karolingisches Kammerbotenamt eigenmächtig zur Herzogswürde um¬
wandeln und sich Konrads königlicher Macht entziehen wollten, enthaupten. Ihr
Todfeind Salomo, der reiche und schlaue Bischof von Konstanz und
Abt von Reichenau, ein Mann von den glänzendsten Geistesgaben, hatte
tuf der Reichssynode zu Hohenaltheim ihren Fall bewirkt. Ihr Verbündeter, :"
Herzog Arnulf von Bayern, der sich gleichfalls dem neuen Königthum nicht
fügen wollte, entging einem ähnlichen Strafgericht durch den Beistand der Un¬
garn, deren Hülfe er angerufen. Konrad war ein tapferer, mannhafter Fürst,
reich an ritterlichen Tugenden, glänzend und stattlich, dabei freigebig, leutselig
und von heiterer Laune; aber im erfolglosen Ringen mit den widerstrebenden
Gewalten der Zeit wurde seine edle, tüchtige Natur herabgedrückt und seine
Kraft vor der Zeit gebrochen. Da er einsah, daß seine Familie nicht die nöthige
Herrscherkraft besitze, bewog er seinen Bruder Eberhard zur Verzichtleistung
auf die Nachfolge und beförderte dann mit edler Selbstentsagung die Erhebung ^ ^ L
seines mächtigen Gegners Heinrich I. von Sachsen (nach einer spätern Volks- ^-93«.
sage der Finkler oder Vogler genannt). „Wir haben viele Getreue," sprach
Konrad zu seinem Bruder, „und ein großes Volk, das uns im Kriege folgt,
wir haben Bürger und Waffen, in unsern Händen sind Krone und Scepter,
und es umgibt uns aller Glanz des Königthums. Aber es fehlt uns das
Glück und die rechte Sinnesart. Das Glück, mein Bruder, und diese Sinnes¬
art fielen Heinrich zu; die Zukunft des Reichs steht bei den Sachsen. Nimm
also die königlichen Abzeichen, die goldenen Spangen mit dem Königsmantel,
das Schwert und die Krone unserer alten Könige, gehe hin zu Heinrich und
mache deinen Frieden mit ihm, auf daß du ihn fortan zum Freunde habest."
Und Eberhard that, wie ihm der königliche Bruder rieth; und noch jetzt zeigt
man in Quedlinburg die Stelle, wo nach der Sage der Sachsenherzog beim
Vogelfang die fränkischen Großen mit ihrer Botschaft empfing. Zu Fritzlar
in Hessen wurde hierauf Heinrich, ein Mann voll rüstiger Kraft und altdeutscher ^
Einfachheit, von den weltlichen und geistlichen Fürsten und Herren als König »19.
ausgerufen; doch erkannten ihn anfangs nur Sachsen und Franken an;
aber durch Tapferkeit und Klugheit brachte er im nächsten Jahre auch die Her¬
zöge von Schwaben und Bayern dahin, daß sie ihn als König verehrten
und als seine ersten Lehnsträger mit der herzoglichen Würde sich begnügten.
Die bischöfliche Salbung und Königsweihe wies Heinrich zurück; doch nannte er
sich „König von Gottes Gnaden". Den Besitz von Lothringen mußte er
anfangs dem Franken Karl dem Einfältigen überlassen, wofür er aber von diesem 921 •
auf einer Zusammenkunft in der Nähe von Bonn in seiner Königswürde aner¬
kannt und bestätigt ward. Aber vier Jahre später, als mittlerweile der Franken¬
könig in die Gewalt der gegnerischen Großen gerathen war und wilde Zwie¬
tracht und Parteiwuth das Reich zerfleischte, benutzte Heinrich die Umstände,
um auch Lothringen wieder zu gewinnen. Damit kamen auch die Niederlande,
die Grafschaften Flandern, Holland, Limburg u. ct. an Deutschland.
§. 342. Mit großer Weisheit und Mäßigung gebrauchte Heinrich seine
Macht. Nicht durch Unterwerfung der einzelnen Stämme unter den Einen
Herrschenden wollte er die Reichsgewalt aufrichten und von einem Mittelpunkt