614 Das Mittelalter. §. 342. 
aus bte Lande regieren, sondern „wie der Reif der Krone die strahlenden Ju¬ 
welen einigt und zum herrlichsten Sinnbild irdischer Macht gestaltet", so sollte 
die königliche Gewalt die deutschen Länder zusammenfassen, ohne ihr eigenthüm¬ 
liches Leben zu vernichten: „Jeder Stamm stehe in seinen eigenen Angelegen¬ 
heiten für sich, und ordne sich selbst nach altem Recht und Herkommen; ihn 
leite und führe in Zeiten des Kriegs und Friedens ein Herzog, dem die Grafen 
und Herren im Lande zu Kriegsfolge und Gehorsam verpflichtet sind; er schlichte 
auf seinen Landtagen die Streitigkeiten und Fehden im Lande, bei ihm finde 
der Arme und Bedrängte Schutz und Beistand; er schirme die Kirchen, erhalte 
den Landfrieden und schütze die Grenzen gegen den einbrechenden Feind; wie 
aber die Herzöge über die einzelnen Stämme im Reiche gebieten, so stehe hoch 
über allem Volke und allen Landen des Reichs der König, der höchste Richter 
und Heerführer des ganzen Volkes, die letzte Zuflucht der Bedrängten und 
Gewaltleidenden, der oberste Schirmherr der Kirche." Mit solchen Grundsätzen 
umging Heinrich die Klippe, an welcher sein Vorgänger seine Manneskraft um¬ 
sonst zerschellt hatte. — Fünf Jahre hatte der König die Herrschaft geführt, als 
»24- die Ungarn einen neuen Einfall machten und sich besonders nach Sachsen 
wandten. „Alles, wohin sie kamen, wurde verwüstet. Die Burgen und festen 
Plätze, die Klöster und Kirchen, die Wohnungen des armen Landmannes wur¬ 
den vom Feuer zerstört; Alt und Jung, Mann und Weib wurde erwürgt; wie¬ 
der konnte man an den Rauchwolken und dem Feuerscheine am Himmel die 
Straßen verfolgen, welche der Feind zog, wieder flüchtete man sich in das 
Dickicht der Wälder, auf die Spitzen der Berge und in verborgene Höhlen". 
Diesem Feinde vermochte Heinrich mit dem schwachen, in den Waffen wenig 
geübten Heerbann und der dürftigen sächsischen Reiterei nicht zu widerstehen. 
Er schloß sich in einer festen Burg bei Goslar ein und knüpfte mittelst eines 
gefangenen Führers Unterhandlungen mit den Ungarn an. Als diese auf den 
Vorschlag des Königs, gegen einen jährlichen Tribut eine neunjährige Waffen¬ 
ruhe eintreten zu lassen, eingingen und das Land räumten, traf Heinrich An¬ 
stalten, ihren Einfällen in Zukunft zu begegnen und zugleich die Sachsen in 
festere bürgerliche Ordnung zu bringen. Damals wohnte das sächsische Volk 
noch nach uralter Sitte auf einzelstehenden Höfen, mitten in den Fluren und 
Aeckern, oder in offenen Dörfern. Städte kannte man blos am Rhein und 
an der Donau aus den Zeiten der Römer, aber die meisten waren unter den feind¬ 
lichen Verheerungen in Trümmer gesunken; in Sachsen bildeten nur die Königs¬ 
pfalzen und festen Adelsschlösser und die umfriedeten Sitze der Bischöfe, Priester 
und Mönche Sammelplätze eines lebendigeren Verkehrs. Heinrichs Bestreben 
war nun vorerst darauf gerichtet, die bestehenden Burgen zu erweitern und 
stärker zu befestigen und dann an der offenen Grenze neue Festen anzulegen. 
Tag und Nacht wurde in den Markgegenden mit größter Anstrengung gebaut 
und schnell stiegen neue, mit Wällen und Mauern umringte Ortschaften empor, 
andere wurden vergrößert oder hergestellt. So wurde Quedlinburg am 
Harz von Grund aus aufgebaut, so Goslar am Rammelsberge, in dessen 
unterirdischen Gängen man bald die ersten Adern edlen Erzes entdeckte; Merse¬ 
burg wurde befestigt und um die Burg herum, die von verläßlichen Leuten 
besetzt war, siedelte Heinrich muthige und verwegene Männer an, die als Räuber
	        
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