§ 343. Vorherrschaft des deutsch-römischen Kaiserthums. 615
und Diebe auf flüchtigem Fuße lebten; er gab ihnen Aecker und Waffen und
gebot ihnen, mit ihren Landsleuten Frieden zu halten, gegen die Wenden aber,
so oft sie wollten, auf Raub auszuziehen. So entstand die gefürchtete „Merse¬
burger Schaar", die Vormauer des Reichs wider die Slaven. Dann befahl er,
daß je der neunte Mann vom Lande in die umfriedeten Räume ziehe, und der
dritte Theil aller Feldfrüchte dahin geschafft werde, alle Gerichtstage, Volksver¬
sammlungen und Kaufhandlungen sollten innerhalb der Burgthore vor sich gehen.
Auch Meißen an der Elbe ward befestigt und sicherte die Verbreitung der
deutschen Herrschaft im Lande der Lausitzer. So gewöhnte Heinrich zuerst die
Sachsen planmäßig an das Leben hinter Stadtmauern und verschlossenen Thoren
und trägt daher mit Recht den Namen eines Städtebegründers; denn
die ältesten Städte Sachsens und Thüringens sind aus diesen zur Wehr gegen
äußere Feinde angelegten Burgwarten hervorgegangen. Zugleich gewöhnte er
die Sachsen an den Reiterdienst und bildete sich aus berittenen Dienstleuten
und Knechten ein Reiterheer, um die Ungarn mit ihrer eigenen Kriegsweise zu
bekämpfen. Seitdem verlor der Kriegsdienst zu Fuß im Heerbann allen Glanz
und alle Ehre; aus dem Volksheer wurde ein Ritterheer.
§. 343. Nachdem der König innerhalb vier Jahren die Kriegsordnung
gänzlich umgestaltet, unterwarf er die Heveller an der Havel und Spree
und eroberte ihre Stadt Brennabnrg (Brandenburg), die er auf dem gefrornen
Fluß belagerte. Auch die weiter südwärts wohnenden Dalem inzier wurden
zur Unterwerfung gebracht, die männliche Bevölkerung ihrer Stadt Jana er¬
schlagen, die Kinder in Sklaverei geführt. Von der Feste Meißen aus unter¬
warf er dann die Lausitzer an der obern Spree und machte ihre Stadt Lebusa
und das ganze Land zinspflichtig. Bald war das sächsische Schwert überall
gefürchtet, so daß, als Heinrich in Verbindung mit den Bayern durch den
dunkeln Böhmerwald an die Moldau vordrang, der Böhmensürst Lehns¬
pflicht und Gehorsam versprach und dem Sachsenkönig Tribut entrichtete. Zu
gleicher Zeit bekämpften die sächsischen Grasen, besonders Bernhard und Thiet-
mar, die nördlichen Wenden mit Glück und Erfolg und eroberten alles Land
zwischen Elbe und Oder. Da erfaßte die Wenden Wuth und Verzweiflung und
das Land erhob sich wider die Deutschen; aber die Schlacht bei Lenzen, 929.
wo 200,000 Wenden den Tod gefunden haben sollen, vernichtete auf immer
ihre Macht. „Es waren eherne Zeiten, wo deutsche Sitte und deutsche Sprache
und mit ihnen das Christenthum in diese Gegenden gepflanzt ward; schwer wie
Eisen hat die Hand der Sachsen auf den Wenven geruht und sie endlich zer¬
malmt und vernichtet." — Mittlerweile war der Waffenstillstand mit den Un¬
garn abgelaufen; schwer lastete der Tribut aus dem sächsischen Volke; sollte er
noch länger entrichtet werden, so mußte man Hand an die Kirchenschätze legen.
Da beschloß Heinrich mit dem Schwerte die schimpflichen Bande zu sprengen,
und alles Volk stimmte freudig dem Entschluß bei. Wie die Volkssage meldet,
wurde den Ungarn höhnend ein fetter Hund statt des verlangten Zinses vor¬
geworfen, und als sie wuthentbrannt über diese Schmach mit zahllosen Schaaren
das thüringische Land verheerend durchzogen, brachte ihnen Heinrich ^ in der
Schlacht bei Merseburg (oder bei Ri ade auf der güldenen Aue) eine ent- 0-933. 3
scheidende Niederlage bei. In wilder Flucht suchten sie das Weite, und ihr