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Tage vor der Ausführung des Plans befand sich Münnich bis spät
am Abend bei dem "Herzog Biron. Noch in derselben Nacht begab
er sich in den Winterpalaft zu der Prinzessin Anna und ihrem Gemahl,
teilte ihnen seinen Plan mit, gewann die hier befindliche Wache und
ließ den Herzog, der im Sommerpalaste wohnte, durch einen Offizier
verhaften. Biron wollte Widerstand leisten, wurde aber bald über¬
mannt und vorläufig nach der Festung Schlüsselburg gebracht, späterhin
aber mit vielen seiner Anhänger nach Sibirien verbannt, nachdem
er noch nicht zwei Monate lang Reichsverweser gewesen war. Prin¬
zessin Anna erklärie sich nun zur Reichsverweserin und wurde ohne
Schwierigkeit allgemein anerkannt (1740).
Das gute Einvernehmen zwischen Anna von Braunschweig und
Münnich währte nicht lange. Dieser ehrgeizige Mann halte Biron
gestürzt in der Hoffnung, unter dem Namen der Reichsverweserin
zu regieren. Aber er sah sich bald getäuscht; nicht einmal Genera¬
lissimus wurde er, wie er gewiß erwartet hatte, sondern mußte sich
mit dem Namen eines ersten Ministers begnügen, während Anton
Ulrich sich jene Würde beilegte. Darüber kam es bald zu Spannungen
zwischen ihm nnd dem Prinzen Anton Ulrich; in einem Anfalle von
Unmut verlangte er feinen Abschied in der Voraussetzung, daß man
ihn nicht würde entbehren können, aber er erhielt ihn ohne weiteres,
weil Biron in seinem Verhöre die Prinzessin vor Münnich als einem
sehr gefährlichen Manne hatte warnen lassen. Dieser zog sich nun
vom Hofe zurück.
Die Prinzessin Elisabeth hatte indessen in scheinbarer Freund¬
schaft mit der Reichsverweserin gelebt und schien allen Ansprüchen
auf die Krone entsagt zu haben. Sobald sie aber hörte, daß der
von allen gefürchtete Münnich ins Privatleben getreten fei, ließ sie
sich von ihren Anhängern bereden, 1741 eine Thronveränderung
vorzubereiten So besuchte sie öfters die Kasernen der Garde, sprach
freundlich mit den Soldaten, erlaubte manchem derselben hinten auf
ihren Schlitten zu treten, wenn sie in den Straßen umherfuhr, und
das gefiel. Ihr vorzüglichster Ratgeber war dabei ihr Wundarzt
L' Estocq , ein Hannoveraner. Dieser hatte gehört, daß die Prinzessin
Anna bereits Verdacht fchöpfte, kam also eines Morgens zu Elisabeth