1056 Die Geschichte der letzten Jahrzehnte u. s. w. in Umriffen. §. 1211. 
dova, verhaften unb nach ben balkarischen unb canarischen Inseln interniren, unb bem 
Herzog von Montpensier, bem Gemahl ber einzigen Schwester ber Königin, schickte er 
ben Befehl, bas Laub zu verlassen, ba er ben Feim rn Der Regierung als Fahne bienen 
könnte. Dieser Gewaltschritt war der Schlußstein ber Reaction. Schon längst war bie 
spanische Nation im Tiefsten erbittert gegen bie Dynastie ber Bourbonen, welche burch 
ihren Despotismus wie burch ihre sittliche Verworfenheit bte moralische Kraft bes Volkes 
untergraben, unb insbesondere gegen bie Königin Jsabella, welche durch ein biffolutes 
Privatleben, tu bem bte kirchliche Devotion als heuchlerische Maske biente, jebe Spur von 
Achtung unb Ehrerbietung verscherzt harte. Allein bie Uneinigkeit unter ben verfchtebenen 
Parteien hatte bisher eine allgemeine Erhebung verhinbert. Jetzt aber, ba alle freiden- 
kenben Männer von bemselben Schlag bedroht waren, kam es zu einer Verständigung. 
September.Die Häupter ber brei Fractiouen, ber liberalen Union, ber Ptogtessiften und 
ber Demokraten, schlossen nach langenUnterhanblungen ein Compromißzum gemein¬ 
schaftlichen Vorgehen wiber bie Kört gin unb bas verhaßte Regiment. Sie traten mit dem 
in Englanb weilenben General Prim in Verbtnbung, ber schon im vorigen Jahr ber Jn- 
furreclion von Katalonien Vorschub geleistet unb jetzt heimlich auf dem Postschiff nach 
Gibraltar segelte. In ben schönen Septembertagen, ba bie Königin Jsabella in San 
Sebastian weilte unb mit bem Kaiser bet Franzosen in Biarritz über eine Zusammenkunft 
unb Allianz unterhandelte, erscholl plötzlich bie Kunbe, baß Admiral Topete im Hasen 
von Cabix bie Fahne ber Empörung aufgepflanzt unb im Verein mit ben verbannten 
Generalen, bie sich auf einen Tag bei ihm eingefunben, ein Manifest erlassen, worin bie 
Spanier aufgefordert wurden, alle Parteiunterfchiebe zu vergessen unb zum Sturze ber 
Regierung mitzuwirken. Cabix, Sevilla und anbete Städte schlossen sich sofort bem 
Aufstanb an unb errichteten Revolutionsjunten; Ptim schloß eine Proclamation mit bem 
Ruf: „Es lebe bie Freiheit! Es lebe bte Volksfouveränetät!" Zn einem zweiten gemein¬ 
samen Manifeste würbe ausgesprochen, „baß bie allgemeine Abstimmung bie Grunblage 
ier socialen unb politischen Regeneration bilden solle1'. Damit war bte Losung zur Re¬ 
volution gegeben, bie sich rasch über ganz Spanien verbreitete. Man machte kein Hehl 
baraus, daß es auf bcn Sturz ber bourbonifchen Dynastie abgesehen sei. Vergebens ent¬ 
ließ bie Königin bas Ministerium Gonzalez Bravo unb stellte ben General Concha, 
Marquez bc ta Habana, an bie Spitze bes Cabinets: ber von ihm zum Oberbefehlshaber 
gegen die Insurgenten ernannte General Novaliches würbe an ber Brücke von Alcolea 
28i^>t* unweit Corbov>i von Ser rano aufs Haupt geschlagen unb verwunbet, unb wenige 
4. ßct. Tage später konnte ber Sieger im Triumph in Mabrib einziehen unb in Verbindung mit 
Prim, Top ete uudOlozaga (t Sept. 1873) eine provisorische Regierung bilden, bis 
bie nach bem allgemeinen Stimmrecht einznberusenben Cortes sich über bie künftige Ver¬ 
fassung Spaniens geeinigt haben würben. Die Häupter ber provisorischen Regierung waren 
monarchisch gesinnt; unb vielleicht hätte Serrano, ber frühere Vertraute Isabella's, noch 
einmal zu Gunsten ber Gebieterin, ber er einst so nahe geftanben, gewirkt, hätte sie sich ent¬ 
schließen können, ben verhaßten unwürdigen Günstling Marfori aus ihrer Nähe zu ent- j 
fernen ober ihrem Sohne, bem Prinzen von Asturien, bas Scepter zu übergeben, unb wäre ! 
nicht bas reactionäre, auf Priester unb Soldaten gestützte Regiment eines sitten- und scham¬ 
losen Weibes ber ganzen Nation in tiefster Seele zuwiber gewesen. Balb überzeugte sich Isa- 
bella, baß ihr Regiment zu Enbe sei, unb baß ein längeres Verweilen aus spanischem Boben 
ihr Gefahr bringen könne; sie verließ baher mit ihrem schwachen Gemahl, ihrem Günstling 
Marfori, ihrem Beichtvater Claret und einem zahlreichen Gefolge San Sebastian unb 
trat auf französisches Gebiet über. Nachbem sie in Pau einen Protest gegen bie Umwälzung 
erlassen unb ihre Rechte gewahrt, begab sie sich mit ihrer Begleitung nach Paris. Nach der 
Entfernung bes Hofes kamen bie alten Parteien wieber zum Vorschein. Währenb bie provi¬ 
sorische Regierung an ber Monarchie festhielt unb sich, wie einst bie Belgier unb Griechen, 
nach einem König umsah, gewannen im Süben bie Anhänger ber föderativen Republik immer 
mehr Boden, uitb im Norden pflanzten bie Karlisten bie Fahne ber Legitimität auf und riefen 
ben Enkel bes alten Don Carlos als Karl VII. zum König aus. Die karlistische Schild¬ 
erhebung hatte keinen Erfolg; bie meistens von Priestern angeführten Bauernbanben 
vermochten sich keines einzigen namhaften Ortes zu bemächtigen. Dagegen mehrte sich
	        
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