H. 687. von der Reformation bis zum Zeitalter Ludwigs XIV. 179 
vornehme, theils hochgeborne, theils hochgelehrte Mitglieder Beinamen aus dem Pflanzenreich 
trugen, was zu Affectationen und lächerlichen Spielereien führte; die von Zesen gebildete 
deutschgesinnte Genossenschaft (gegründet 1643), die in ihrem Eifer für Sprachreinheit 
(Purismus) sich zu unsinniger Verdeutschung von Fremdwörtern verleiten ließ; der von den 
Nürnberger Dichtern Harsdörfer und Klai 1644 gestiftete Pegnitzer Blumenorden, 
dessen Mitglieder Hirtennamen führten; der von Joh. 9tijt 1656 gegründete Schwanen. 
erden an der Elbe u. a. 
Zu Vorbildern nahmen die deutschen Dichter besonders den schwülstigen, bilder¬ 
reichen Italiener Marini (§. 673) und die glatten französischen Schriftsteller, von denen 
sie die schleppende „heroische" Versart, den Alexandriner, sowie die Regeln der 
Sprach - und Dichtkunst entlehnten. Von dieser Zeit an blieb über ein Jahrhundert die 
in Darstellung und Form vollendete, aber kalte und steife Literatur der Franzosen Muster 
und Vorbild der deutschen Dichtung. — Selbst das Studium der altklassischen 
Literatur war für die deutsche Poesie dieser Periode unheilvoll, indem man nur ihre 
Kunstregeln befolgte und ihre Formen nachahmte, aber für den hohen Geist derselben kein 
Verständniß hatte. Kraft, Freiheit und Selbstgefühl gehen diesen Dichtern gänzlich ab; 
sie kriechen vor allem Vornehmen und spenden den hochgebornen Schützern und Gliedern 
des fruchtbringenden Ordens endlose Lobpreisungen und Schmeicheleien. In der Poesie 
dieser Zeit herrscht der Gattung nach die Lyrik, dem Inhalt nach das Religiös e vor; 
und so künstlich und geziert diese Dichter in ihren meisten Erzeugnisien waren, im Kir¬ 
chenlied hielten sie sich an die überlieferten Beispiele und blieben daher volksthümlich und 
herzlich. Der Hauptsitz ist nicht mehr wie früher der Süd e n, sondern der protestantische 
Norden; die zwei einzigen süddeutschen Dichter von Bedeutung, der Würtemberger 
Weckherlin (f 1653), ein kräftiger Odendichter (Trauergedicht auf Gustav Adolf), 
und der erwähnte Heidelberger Zinkgref lebten an protestantischen Höfen. 
Opitz und Paul Flemming. Der Schlesier Martin Opitz wurde durch drei Dinge 
„Vater und Wiederhersteller der Dichtkunst", 1) weil er die herabgekommene Poesie 
wieder zu Ehren brachte. Während der Reformation war das weltliche Volkslied verstummt, 
Gelehrte hatten sich der Poesie bemächtigt und ihre Gedanken gewöhnlich in lateinische Verse ge¬ 
kleidet; die weltliche Dichtkunst war Bänkelsängern und Gelegenheitspoeten anheimgefallen und 
ganz in Verachtung gerathen. Es war daher ein großes Verdienst, daß Opitz, der als Mitglied 
des Palmenordens und als gelehrter, gebildeter Mann in hohem Ansehen stand und mit den 
bedeutendsten Gelehrten des Auslandes, wie HeinsiuS, Hugo Grotius (§. 648. 669), de Thou 
u. A. befreundet war, seine Kräfte der deutschen Poesie zuwandte und dadurch den gesunkenen 
Dichterstand wieder hob. 2) Weil er eine neue, auf die Gesetze des Alterthums gegründete 
Kunst form schuf und 3) weil er, auf dem Boden des Humanismus stehend, die altklassische 
Literatur als Vorbild empfahl und zu dem Zweck die Antigone des Sophokles und andere 
griechische und lateinische Werke übersetzte. Vertraut mit den Werken des Alterthums und mit den 
modernen Dichtungen des Auslandes, war Opitz der Schöpfer einer neuen poetischen Kunstform, 
indem er den Tabulaturen der Meistersänger eine auf den Grund der antiken Dichtungen aufgebaute 
Poetik entgegensetzte („von der deutschen Poetem", 1624), den bisher üblichen Knittelvers 
durch eine geregelte Metrik verdrängte und durch das Gesetz, daß der Accent eine Silbe lang 
mache, und daß man im deutschen Verse mit Hebung und Senkung eben so regelmäßig ab¬ 
wechseln müsse, wie im antiken mit Länge und Kürze, die neue Prosodie begründete. — Wie 
hoch auch Opitz bei den Zeitgenossen in Ansehen stand, so war er doch weder durch seinen Cha¬ 
rakter, noch durch seine Dichtungen eine bedeutende Erscheinung. Durch Schmeicheln und Kriechen 
wußte er sich die Gunst der Vornehmen zu erwerben und benutzte dann seinen Einfluß, um 
mittelmäßige und geringe Talente zu heben und durch sie gelobt und verherrlicht zu werden, 
aus seinen Reisen drängte er sich zu den Gelehrten des Auslandes und bediente sich ihres Na¬ 
mens zur Erhöhung seines Ruhms. Er ward in den Adelstand erhoben (von Boberfeld) und 
weithin gepriesen, und doch sind seine poetischen Erzeugnisse von geringem Werth. Ohne 
Schwung, Phantasie und Tiefe der Empfindung legte er auf die Vollendung der Form, auf 
die Reinheit und Glätte der Sprache und des Versbaues, auf witzige, überraschende Wen¬ 
dungen das größte Gewicht; seine Poesie ist eine Poesie des Verstandes, die, verglichen mit der
	        
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