H. 1050. Literatur- und Culturleben in Deutschland 753 
Kunst und Literatur zog das reiche Leben Berlins an, das in dem preußischen Königreiche 
eine ähnliche centripetale Anziehungskraft übt, wie die größeren Hauptstädte Englands und 
Frankreichs. So aus Schlesien, unter vielen andern bereits Erwähnten, den Romanschrift¬ 
steller Häring (Willibald Alexis, 1797—1871) von Breslau und den Dichter 
und Maler Aug. Kopisch (1799—1853), den Entdecker der „blauen Grotte' auf 
Capri bei Neapel und Platens Freund; den Lyriker, Dramatiker und Romanschriftsteller 
K. v. Holtei (1797—1880), einen Epigonen aus den Freiheitskriegen („Vaga¬ 
bunden"); den Schöpfer der Berliner Localposse, Dav. Kalisch aus Breslau (1820—72), 
Verfasser von „Hunderttausend Thaler"; „Berlin bei Nacht"; „Namenlos"; „der Aktien¬ 
budiker"; „Dr. Pefchke"; „Verblefft", u. A.; aus Pommern den Dichter („Iakobäa", 
Tragödie) und Kunstkenner Franz Theodor Kuglet (geb. 1808 in Stettin, f 1858), 
den Romanschriftsteller Fr. Spielhagen von Stralsund („Problematische Naturen"), 
den Dramatiker @ust. zu P utlitz („Ein Hausmittel"; „die blaue Schleife"; Familienzwist 
und Frieden"; „das Testament des großen Kurfürsten"; das poetische Märchen: „Was 
sich der Wald erzählt") u. A. m. Auch Rob. Prutz nahm zeitweise seinen Aufenthalt 
daselbst, so wenig auch feine Muse in die Nähe des Thrones und Hofes paßte. Der 
Dichter Michael B e e r, Bruder des Componisten Meyerbeer und Verfasser mehrerer Dramen 
(„Klytämnestra"; „der Paria"; „Struensee" u. a. ist in Berlin geboren, brachte aber 
einen großen Theil seines Lebens in andern Städten zu, besonders in München, wo er 
mit Ed. v. Schenk in freundschaftlichen Beziehungen stand. Heinrich Steffens 
(1775—1845), Romantiker und Naturphilosoph in Schellings Geist, vertauschte sein 
norweg'sches Vaterland mit Deutschland, zu dem er eine innere Verwandtschaft fühlte, 
kämpfte während der Freiheitskriege in den deutschen Heeren und verlebte seine spätern 
Jahre in der preußischen Hauptstadt, ein fruchtbarer und thätiger Schriftsteller auf dem 
Gebiete der Philosophie, der Novellendichtung, der Politik und der Religion. Beider 
Abgeschlossenheit Oesterreichs, wodurch Wien für die literarische Lebensthätigkeit Deutsch¬ 
lands von wenig Bedeutung war, erlangte Berlin den ersten Rang unter den deutschen 
Städten und wurde von seinen Verehrern als die Metropole der deutschen Bilvung ge¬ 
priesen. Die zwei ersten Jahrzehnte des neunzehnten Jahrhunderts, wo so viele Sterne 
erster Größe daselbst glänzten, ist Berlins goldenes Zeitalter gewesen. Aus jenen Tagen 
des Ruhms stand noch bis zum Jahre 1859 Alexander von Humboldt, der un¬ 
ermüdliche Durchforscher der Erde und des Weltalls („Kosmos"), wie ein starker Pfeiler 
da. Von ihm angeregt hat Karl Ritter (1779—1859) durch feine Geographie 
von Asien die Wissenschaft der Erdkunde gänzlich umgestaltet und ist ihm nach einem 
„geheiligten Stillleben der Wissenschaft" in demselben Jahre in die Gruft gefolgt. „Wie 
Ritter vie Geschichte des Menschengeschlechts aus den natürlichen Bedingungen des Erd¬ 
lebens entwickelt, wie er zuerst das Leben auf der Erdoberfläche so recht eigentlich aus den 
Grundfesten des Erdbaues hervorwachsen ließ, so hat Humboldts Kosmos die innige 
Verflechtung aller Natur- und Geschichtserscheinungen mit dem gesammten Weltenleben 
zuerst in den weitesten Kreisen zur feststehenden Ueberzeugung gemacht." Der ältere 
Bruder Wilhelm v. Humb oldt, gleich ausgezeichnet als Staatsmann, Aesthetiker und 
Sprachkenner, ist schon im Jahr 1835 von hinnen geschieden. Unter den vielen berühm¬ 
ten Namen, die noch jetzt oder bis in die jüngste Zeit die preußische Hauptstadt zierten, 
sind vor Allen die Brüder Grimm und Wilhelms Sohn, der Kunsthistoriker Hermann 
Grimm, die Geschichtschreiber Raumer (-j-1873), Ranke, Pertz (-j-1876), Droyfen, 
und der fromme Kirchenhistoriker Neander (t 1850)zunennen. Lachmann, unter den 
deutschen Philologen und Germanisten in der vordersten Reihe, hat nach seinem Tode 
(1851) in Moritz Haupt (-j-1874) einen würdigen Nachfolger erhalten. Im Schulwesen 
hat Director Diesterweg (t 1869)in Pestalozzi's Geist lange eine bedeutende Wirksamkeit 
auf den ganzen deutschen Lehrerstand geübt, und als Verfasser weitverbreiteter Jugend¬ 
schriften haben sich Theod. Dielitz, Ferdinand Schmidt, H. Kletke u. A. einen guten 
Nennen erworben. Die von Goethe verspotteten „Musen und Grazien in der Mark" 
hat Niendorf durch feine „Hegler Mühle, ein Cyklus märkischer Gedichte" und Theod. 
Fontane aus Neu-Ruppin durch seine Preußenlieder „Männer und Helden" und andere 
Werke zu Ehren gebracht. — In Freiburg an der Unstrut verbrachte „der alte Vater 
Weber, Geschichte IL 48 
Berlin.
	        
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