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Die Geschichte der letzten Jahrzehnte in Umrissen. §. 1148. 
Kn. 1868. Einer zum Tode verurteilt, drei zu fünfjährigem Gefängniß. Vier Jahre dauerte die Regent- 
A 1872 schaff während welcher Zeit Cultur, Industrie und Handel sich hoben und ein wohlthätiger 
Montenegro. Friede herrschte. Dann übernahm Fürst Milan selbst die Regierung, ein junger Manu von 
vorherrschend russischen Sympathien. - In Montenegro, wo Fürst Danilo am 12. August 
1860 von einem Eingebornen ermordet und dann durch den Einfluß seiner Wittwe seines Bru¬ 
ders Sohn Nico laus zur Herrschaft berufen ward, dauerten die Feindseligkeiten gegen die 
Türken fort. Als die christlichen Unterthanen der Herzegowina sich gegen die Mohammedaner 
erhoben, fanden sie bei dem montenegrinischen Bergvolke und seinem Fürsten Unterstützung. Die 
türkische Regierung, besorgt, der Aufstand möchte in andern Theilen der Donauländer Nachah¬ 
mung finden, berief ihren besten General O m e r Pascha aus der Verbannung zurück und über¬ 
trug ihm den Oberbefehl gegen die Insurgenten und ihre Bundesgenossen, die Montenegriner. 
Aber weder durch Verträge und Unterhandlungen, noch durch Waffengewalt ist es der Pforte 
gelungen, ihre sinkende Autorität in Europa auf die Dauer zu kräftigen. — Auch den Oester, 
reichern vergalt Fürst Nicolaus ihre früheren Dienste mit Undank. Denn als im Herbst 1869 
die Einwohner des felsigen Küstenlandes von Cattaro in Süddalmatien aus Opposition gegen 
das Landwehrsystem einen bewaffneten Aufstand wider den Kaiserstaat machten, stand der Fürst, 
ein eifriger Anhänger Rußlands, im Verdacht, den Insurgenten Vorschub geleistet zu haben. - 
Griechenland. Der zunehmende Verfall der osmanischen Macht erfüllte die Griechen mit der Hoffnung, daß 
die „große Idee" zum Durchbruch geführt werden könnte, wenn ein thatkräftiger König auf dem 
Throne säße, daher wurden die Agitationen und Verschwörungen bei dem Militär und unter 
den gebildeten Ständen immer gefahrdrohender für die bayerische Dynastie. Fast dreißig Jahre 
hatte König Otto das Scepter mit schwachen Händen, wenn auch nicht ohne guten Willen ge¬ 
führt, und aus seiner bayerischen Heimath war manche schöne Summe nach Athen geflossen, um 
das griechische Königthum würdig zu stellen. Aber der gutmüthige Otto vermochte kein Gefühl 
der Anerkennung und des Dankes zu erwecken. Wie sehr auch die königliche Regierung bemüht 
war, das Staatsweseu in verfassungsmäßigem Gang zu erhalten, das hellenische Volk wußte die 
Segnungen einer friedlichen Verwaltung in beschränkten Sphären nicht zu würdigen; der Mangel 
an militärischen Gaben und ehrgeizigem Unternehmungssinn, der besonders während des rus- 
fisch-türkischen Krieges zu Tage trat, entzog dem König die Achtung und Theilnahme seines 
Volkes und entfremdete ihm besonders die Herzen der Soldaten. Freilich war die passive Natur 
des Monarchen, den selbst seine Gattin Amalie von Oldenburg, eine Frau von kräftigem, 
fast männlichem Geist und romantischen Regungen, nicht zum entschlossenen Handeln zu bewegen 
vermochte, wenig geeignet, die Schwierigkeiten zu heben oder zu mindern, welche der bewegliche 
Charakter des Volkes, die Armuth des dürftig angebauten Landes und die schlimme Finanzlage 
bei der hohen Nationalschuld schufen. Bei dem sichtbaren Hinsinken des osmanischen Reiches 
glaubten die Griechen zu einer künftigen Weltstellung berufen zu sein, die sie unter Otto'S fried¬ 
lichem Scepter nie erlangen könnten. Es bildete sich daher eine weitverzweigte Verschwörung, 
die im Heere viele Genossen zählte und, da Rußland dem ehrgeizigen Traume eines byzantinischen 
Reiches widerstrebte, ihre Blicke auf England warf. Die Seele derselben war der alte Seeheld 
Kanaris. Im Februar 1862 brach in Nauplia eine Militärrevolte aus, die erst im April unter¬ 
drückt werden konnte. Die Nachsicht, die der König dabei bewies, indem er eine ausgedehnte 
Amnestie ertheilte und dann, den Volkswünschen entsprechend, die Errichtung einer Nationalgarde 
vorbereitete, ermuthigte Andere zur Nachahmung. Im October, als der König auf einer Rund¬ 
reise durch den Peloponnes begriffen war, brachen Aufstände in Vonizza, Patras, Korinth und 
Di862ei endlich in Athen aus; es bildete sich eine provisorische Regierung, deren erster Act die 
Thronentsetzung Otto's war. Auf die Kunde davon eilte der König nach dem Piräus; aber 
auf den Rath der Gesandten gab er bald den Gedanken eines Widerstandes auf. In Salamis 
machte er durch eine letzte Proclamation den Griechen seinen Entschluß kund, in sein Vaterland 
zurückzukehren, und bestieg dann ein englisches Schiff, das ihn nach Triest brachte. Die Um¬ 
wälzung ging ohne Blutvergießen und Gewaltthat vor sich und wurde von den europäischen 
Mächten als vollendete Thatsache hingenommen, hatte aber auch keine weiteren Folgen, als daß 
sich die Griechen nach einem andern König umsahen. Die neue Regierung erkannte bald, daß 
zu einem Angriff gegen die Türkei die ihr zu Gebote stehenden Mittel unzulänglich seien. Ihre 
nächste So.ge war daher, den erledigten Thron wieder zu besetzen. Ohne die Bestimmung der 
Verfassung zu beachten, nach welcher der jüngere Bruder des kinderlosen Königs Otto, Adal-
	        
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