Full text: Die neuere Zeit (Bd. 3)

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erhobenen Granvella untergeordnet wurden, ward ein Theil der 
Klostergeistlichkeit verletzt, da zur Ausstattung der neuen 
Bischofssitze den Klöstern manche Einkünfte entzogen waren. 
Der stolze Adel des Landes konnte es nicht ertragen, dass 
Granvella, der Sohn jenes Mannes, den Kaiser Karl aus nie¬ 
derem Stande zu seinem vertrautesten Rathe erhoben, ganz 
selbständig im Lande schaltete. 
Unter diesem Adel traten besonders zwei Männer hervor, Oranien 
und Egmont. Wilhelm Graf von Nassau - Oranien, Erbe des 
Fürstenthums Oranien in der Provence, war in der katholischen Religion 
erzogen, heirathete in zweiter Ehe die Tochter des Kurfürsten Moritz, 
von Sachsen und trat zur reformirten Kirche über. Er vereinigte mit 
grosser Thatkraft eben so grosse Schlauheit, welche in der Wahl der 
Mittel nicht eben bedenklich war. Leutselig und genussliebend bis zur 
Verschwendung verbarg er doch seine Pläne mit so vorsichtiger Schweig¬ 
samkeit, dass er den Beinamen Taciturnus erhielt. Sein Freund und 
Verwandter war Lamoral, Graf von Egmont, der Erbe reicher Be¬ 
sitzungen, vom Kaiser Karl zum Ritter des goldenen Vliesses ernannt. 
Durch den Sieg bei Gravelingen (1558) auch mit Kriegsruhm geschmückt 
ward er der Liebling des Volkes, das er durch sein offenes und zutrauens¬ 
volles Wesen gewann. 
Da der Adel seine Abneigung gegen Granvella immer 
deutlicher zur Schau trug und Oranien und Egmont nicht einmal 
mehr an den Staatsrathssitzungen theilnahmen, so erwirkte die 
Statthalterin endlich die Entlassung des Kardinals, 1564. Mit 
den Bestrebungen des Adels nach grösserer Theilnahme an der 
Regierung des Landes gingen jetzt die religiösen Bewegungen 
Hand in Hand. Hauptsächlich in dem nördlichen Theile der 
Niederlande hatten sich seit längerer Zeit wiedertäuferische 
und calvinistische Lehren verbreitet und waren durch die bür¬ 
gerlichen Dichtergilden, welche ähnlich den Schulen der Meister¬ 
sänger sich in dramatischen Vorstellungen übten, auch in 
das Volk eingedrungen. Da die Regierung dem Weitergreifen 
des Protestantismus zu steuern suchte und die schon früher 
unter Karl V. genehmigte Inquisition anwandte, so vereinigte 
sich ein Theil des Adels unter Philipp Marnix, Grafen von 
St. Adelgonde, einem Schüler Calvins, zu dem Compromiss 
von Breda, um die Aufhebung dieses Glaubensgerichts durch¬ 
zusetzen , 1566. Zu diesem Zwecke überreichten gegen 300 
Adliche der Statthalterin eine Bittschrift zu Brüssel, 1566. Ein
	        
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