Anhang I.
Die Kotarländer.
Unter dem Namen Polarländer versteht man die um die beid en Pole
der Erde bis zu den Polarkreisen gelegenen Länder.
Die Geschichte ihrer Erforschung geht bis ins Altertum zurück^), aber erst
im 19. Jahrhundert wurde die wissenschaftliche Erschließung der Polarwelt durch zahl-
reiche Expeditionen in umfassender Weise gefördert, ja durch den Amerikaner Peary
(1909) der Nordpol selbst erreicht. Die eigenartigen Klimaverhältnisse der Polarwelt
und deren Einfluß auf die benachbarten Kontinente, die Verteilung von Wasser und
Land, die Meeresströmungen, die Eiswelt, Flora und Fauna, die Besiedelung und die
wirtschaftliche Bedeutung dieser Gebiete, nicht zum wenigsten endlich die erschütternden
Katastrophen wie die Beweise heldenhafter Größe in der Geschichte ihrer Erforschung^)
verleihen der Polargeographie besonderes Interesse.
1. Die Polargebiete haben infolge des tiefen Sonnen-
standes die niedrig st e mittlere Jahrestemperatur auf der
Erde (im Innern von Grönland —20°). Zwar fallen die Orte der tiefsten Winter-
temperatur nicht mit den geographischen Polen zusammen, wenigstens nicht auf
der nördlichen Erdhälfte, wo der Kältepol um Werchojansk nahe dem Polarkreis in
Sibirien liegt (Januartemp. —50° und tiefste Temp. —70°); aber die Januartempe¬
ratur sinkt z.B. im Innern Grönlands auf — 40° und selbst die Julitemperatur bleibt
noch unter dem Gefrierpunkt, während diese allerdings in Sibirien auf 15—20° steigt,
also der von Berlin gleichkommt. Die Sommer sind kurz und die beträchtliche Zu-
fuhr von Wärme wird hauptsächlich zum Schmelzen des Eises verwendet. Ein voll-
ständiges Auftauen findet nur an günstig gelegenen Abhängen statt, wo dann die
spärliche Vegetation keimt, vorwiegend Zwergsträucher, Flechten und Moose.
2. Eine Eigentümlichkeit der Polarwelt sind ferner
ihre extremen Tages - und Nachtlängen. Die Dauer des längsten
Tages und der längsten Nacht wächst von 24 Stunden am Polarkreis bis zu sechs
Monaten an den Polen. Doch verkürzt die Dämmerung die Länge der Nächte
bedeutend. Überdies wird die Polarnacht noch gemildert durch das P o l a r l i ch t
(Nordlicht, Südlicht).
3. Die klimatischen Verhältnisse erklären die tiefe Lage der Schnee-
undEisgrenze, die hierbiszumMeeresspiegelherab steigt
(Abb. S. 108). Das Innere Grönlands ist völlig unter dem sog. Inlandeis begraben,
einer Eiskappe von 1000 in Mächtigkeit, die heute noch das getreue Bild der ein¬
stigen Eiszeit gibt. Nur die höchsten Spitzen ragen als sog. N u n a t a k s hervor.
') Pytheas aus Massilia kam 325 v.Chr. bis zu einem Eiland, später Thüle genannt,
das 6 Tagereisen nördl. von Großbritannien lag.
2) 1847 ging die englische Franklin-Expedition mit 129 Mann Besatzung auf King
Williamsland in Britisch-Nordamerika unter und 1881 wurden von der amerikanischen Jeanette-
Expedition unter de Long bei den Neusibirischen Inseln von 33 Mann nur 13 gerettet. Die
96tägige Schlitten» und Bootfahrt der österr. Expedition unter Payer und Weyprecht
1874 führte zur Entdeckung von Kaiser Franz Josephs-Land. Die Durchquerung Grön-
lands geschah durch Nansen 1888 auf Schneeschuhen. Die „Fram"°Expedition unter Nansen
drang 1896 bis 86°4' vor. 1878 umsegelte Adolf Erik Nordenskiöld auf der „Bega" zum
ersten Male die Alte Welt. 1902 entdeckte Erich von Drygalski unter 66° s. Br. Kaiser Wil-
Helmll.-Land mit dem 336m hohen Gaußberg, einem erloschenen Vulkan.