Full text: Deutsche Geschichte bis zum Westfälischen Frieden (Teil 4)

Italien. 
115 
Italien. 
§ 105. Seit dem gänzlichen Verfall der kaiserlichen Gewalt Italienische 
war in Italien eine völlige politische Zersplitterung eingetreten; SMtur' 
die verschiedensten Staatsformen standen neben einander, die Theo- 
kratie neben der angestammten Monarchie und der Tyrannis, der 
aristokratischen und der demokratischen Republik. Aber mit der poli¬ 
tischen Zersplitterung ging Hand in Hand ein reiches geistiges Leben, 
wie es sich auf der Grundlage einer hohen wirtschaftlichen Ent¬ 
wickelung entfalten konnte. Die Kunst erblühte in wundervoller 
Weise; jede Landschaft, ja in manchen Landesteilen jede größere Stadt . 
besaß ihre eigene, durch charakteristische Merkmale sich auszeichnende 
Kunstschule. Der Humanismus, gegründet auf das Studium der 
Alten, entstand in Italien; und hier zuerst erwuchs das neue Lebens¬ 
ideal der Renaissance, das Ideal der freien Persönlichkeit. 
Das Königreich Neapel, das sich seit 1266 im Besitze der Neapel. 
Anjous befand, während in Sizilien eine Nebenlinie des ara- 
gonischen Königshauses herrschte, wurde im vierzehnten Jahrhun¬ 
dert unter der viermal vermählten Johanna durch schwere innere 
Kämpfe zerrüttet. Zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts wurde 
Sizilien, in der Mitte desselben Jahrhunderts auch Neapel mit 
Aragonien vereinigt; es folgte eine aragonische Nebenlinie, bis 
Ferdinand der Katholische von Aragonien Neapel und Sizilien 
eroberte; als dessen Erbe fielen die Lande 1516 an seinen Enkel Karl. 
Der Kirchenstaat ging auf die Schenkung Pippins des Kirchenstaat. 
Jüngeren zurück und bestand zunächst aus dem Herzogtum Rom 
und dem Exarchat vom Po bis Ankona. Doch ging der Besitz des 
Exarchats allmählich verloren; zur Zeit des babylonischen Exils der 
Päpste und der Kirchenspaltung war der Kirchenstaat zeitweise in 
Gefahr völlig aus ein and erzufall en. Die Neubegründer des Kirchen¬ 
staates sind die Päpste des ausgehenden fünfzehnten und des an¬ 
fangenden sechzehnten Jahrhunderts, die sich, je mehr die großen 
geistlichen Zwecke des Papsttums zurücktraten, desto mehr bemühten 
ihre und ihres Hauses weltliche Macht auszugestalten. Unter ihnen 
hat sich Alexander YI. aus dem Hause Borgia einen schlimmen Alexandervi. 
Namen gemacht. Sein Sohn war Cäsar Borgia, ein ebenso um lo00' 
hochbegabter wie ruchloser Mensch, der sich durch Beseitigung der 
kleinen Fürstengeschlechter Mittelitaliens und der Romagna und unter 
Benutzung jedes, auch des unsittlichsten Mittels eine Herrschafts¬ 
stellung zu gründen suchte, bis der plötzliche Tod seines Vaters diesen 
Bestrebungen ein Ende machte.*) Ein kriegerischer Papst, eine machtvolle 
1) Der Gestalt Cäsar Borgias hat sein Zeitgenosse Macchiavelli, 
der Geschichtschreiber von Florenz, das Ideal seines Fürsten (Principe) nach-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.