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17. Katharina II, von Rußland (1762—1796) und
der Hubertsburger Friede (1763).
Die europäischen Staaten, welche an Rußland grenzten, waren
durch Uneinigkeit, schlechte Regierung und Stillstand in allen Dingen
so zurückgeblieben, daß dieses Nachbarreich, welches man im sechzehnten
Jahrhundert noch kaum dem Namen nach kannte, mächtigen Einfluß auf
ihre Angelegenheiten gewonnen hatte. In Schweden herrschte die Partei
der „Mützen"; sie lenkten den König und das Reich nach Belieben; in
Polen war August III durch russische Hülfe auf dem Throne befestigt
und dadurch auch Sachsen zu dem Bündnisse gezogen worden, welches
Deutschland in seinem Inneren zerfleischte. Schwerlich hätte Maria
Theresia so hartnäckig auf dem Fortgange des Krieges bestanden, wenn
nicht die russische Hülfsarmee gewesen wäre. Nun sollte Rußland den
siebenjährigen Krieg entscheiden.
Im Jahre 1762 starb die Kaiserin Elisabeth, nachdem sie vorher
ihren Schwestersohn, den Herzog Peter von Holstein, zum Nach¬
folger bestimmt hatte. Dieser Prinz vermählte sich mit der Prinzessin
Sophie Auguste von Anhalt-Zerbst; beide kamen noch bei Lebzeiten der
Kaiserin nach Petersburg, traten zur griechisch-katholischen Kirche über
und Sophie vertauschte ihren Namen mit dem Namen Katharina.
Peter war ein Fürst von menschenfreundlichem Gemüthe, aber rohen
Sitten und ohne die mindeste Anlage zu einem regierenden Könige.
Katharina, kalt, klug und herrschsüchtig, wußte seine Unfähigkeit wohl
zu benützen. Gleich nach dem Tode seiner Tante begann Peter, der
mit seiner Gemahlin in größter Uneinigkeit lebte, allerlei Reformen im
Reiche vorzunehmen, indem er, ein großer Verehrer Friedrich's II.,
Staat und Heer nach preußischem Fuße einrichten wollte. Die zahl¬
reichen Verbannten, welche unter der vorigen Regierung nach Sibirien
hatten wandern müssen, wurden zurückgerufen. Alle diese Veränderungen
mißfielen aber dem größten Theile der Nation, und am meisten murrte
die Geistlichkeit, der er aufgab, für die Volksbildung zu sorgen, und
welche aus der leidenschaftlichen Neigung des Kaisers für Preußen,
oder vielmehr für Friedrich den Großen, die Befürchtung schöpfte, er
möchte am Ende die protestantische Kirche in Rußland einführen.
Einige Große des Reiches, Graf Paitiit und die Gardeoffiziere
Gregor und Alexius Orlow, Günstlinge der Kaiserin, benutzten das
Mißverhältniß des Kaiserpaares und beredeten Katharina, sich an die
Spitze einer Verschwörung zu stellen, welche den Kaiser entthronen und
sie zur Alleinherrscherin erheben sollte. Katharina, die man mit der
Aussicht auf ein freudenloses Klosterleben erschreckt hatte, willigte bald
ein. Während Peter auf seinem Luftschlosse sich befand, eilte Katharina