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Die handelspolitische Lage und unser Ver¬
hältnis zu Österreich-Ungarn.
(Großh. Finanzamtmann Karl Röttinger, Mannheim, Die handelspolitisch«
Lage und unser Verhältnis Zu Österreich-Ungarn. Aus: Das Größere Deutsch-
5 land. Heft 22. S. 715—721. Weimar, Verlag Gustav Kiepenheuer. 1915.)
(7>ie Handelspolitik der europäischen Staaten ist seit 1860
gekennzeichnet durch die englische Freihandelspolitik
und die Tarifvertragspolitik der größeren Kontinental¬
staaten. Bis zum Jahre 1892 war hier die Führung bei
10 Frankreich, seither bei Deutschland. In den Kreis der von
Deutschland geführten Tarifoertragsstaaten sind bekanntlich
Österreich-Ungarn, Italien, Schweiz, Belgien, Serbien, Ru¬
mänien und Rußland eingetreten. Außerdem ist Deutschland
mit allen übrigen europäischen und einer großen Zahl
15 außereuropäischer, namentlich mittel- und südamerikanischer
Staaten durch Meistbegünstigungsverträge verbunden, und
zwar gewährt Deutschland die Meistbegünstigung durchweg
unbedingt und unentgeltlich, d. h. jeder Staat, mit dem wir
einen Tarifvertrag oder einen bloßen Meistbegünstigungs-
20 vertrag haben, genießt ohne weiteres alle Vergünstigungen,
die wir dritten Staaten eingeräumt haben oder noch ein¬
räumen werden. Eine Besonderheit zeigt unser Verhältnis
zu Frankreich, wo wir die Meistbegünstigung nicht auf
Grund eines Handelsvertrags, sondern auf Grund des
25 Artikels 11 des Frankfurter Friedensvertrages genießen.
Dieses deutsche Handelssystem hat von Anfang an zwei
Lücken gehabt. Fast zu der gleichen Zeit, in der Deutsch¬
land zu dem Tarifvertragssystem überging, hat England
begonnen, in seinen Kolonien und Schutzgebieten ein System