§3. Territoriale Veränderungen im Zeitalter Friedrichs d. Gr. 15
amerikanischen Gründungen der Engländer zu neuen Kulturzentren
aus, in denen englisches Unabhängigkeitsgefühl und englischer
Unternehmungsgeist herrschten und deshalb eine zu starke Ein¬
mischung des Mutterlandes nicht ertragen wurde. So hatten diese
Kolonien nach Abschluß des langen Krieges mit Frankreich, der doch
auch ihnen große Opfer auferlegt hatte, als Gegenleistung vom Mutter¬
lande die Verleihung des Rechtes der Selbstverwaltung er¬
wartet. Zwar erklärten sie es für kein unbilliges Verlangen, daß die
englische Regierung sie zur Tilgung der Schuldenlast heranziehen wollte,
die dem Mutterlande aus dem langen Kriege mit Frankreich er¬
wachsen war, aber sie empfanden es als den bittersten Stachel, daß diese
Maßregeln von einem Parlamente ausgingen, in dem sie nicht ver¬
treten waren. Den leidenschaftlichsten Widerspruch fanden daher
zwei Parlamentsbeschlüsse vom Jahre 1765, die aufs tiefste in die inne- Die englische
ren Verhältnisse der Kolonien eingriffen: die Stempelsteuerakte, Steuerpolitik
der zufolge alle gerichtlich gültigen Verträge und Urkunden auf Stempel¬
papier geschrieben werden sollten, und eine Militärverpflegungs¬
bill, nach der die behufs besserer Überwachung der drückenden Handels¬
gesetze vermehrten königlichen Truppen in Wohnung und Pflege
zu nehmen waren. Eine solche (indirekte) Besteuerung erklärten Be¬
vollmächtigte fast aller Kolonien auf Grund der natürlichen Rechte
des Volkes für unerträglich. Als aber König Georg III,1) nach
anfänglichem Zurückweichen dem englischen Parlamente die höchste gesetz¬
gebende Gewalt für alle Dinge auch in Amerika vorbehielt und neue,
wenn auch unwichtige Zollbestimmungen genehmigte (Tee, Papier),
da setzte der Widerstand mit erhöhter Kraft ein und führte nach dem Der Teeauftuhr
Angriff auf einige Teeschiffe der Ostindischen Kompagnie in Bostonin a3ofton 1773
(Dez. 1773) zur Sperrung dieses Hafens und zur Besetzung der Stadt
durch die Engländer. Darauf trat ein Nationalkongreß von 13 Ko¬
lonien in Philadelphia zusammen und richtete an König und Par¬
lament eine Reihe von Forderungen, von deren Erfüllung das Fort¬
bestehen der Vereinigung mit dem Mutterlande abhängig gemacht
wurde. Die Ablehnung dieser Forderungen durch das englische Parla¬
ment bedeutete den Beginn des Krieges.
mischten sich, im Gegensatze zu den Engländern, die dies verabscheuten, mit den Ein¬
geborenen, wodurch eine Mischrasse entstand, die von beiden Stämmen meist die üblen
Eigenschaften erwarb.
1) Georg III. von Großbritannien (1760—1820), der Vetter Friedrichs d.Gr.,
der erste „geborene Engländer" aus dem welfischen Hause, erstrebte die Wiederherstellung
des Absolutismus. Der Minister William Pitt trat ihm entgegen, weil dies System
mit der freiheitlichen englischen Parlamentsverfassung unvereinbar war, und mußte
deshalb 1761 seinen Abschied nehmen. Den beginnenden Streit mit den amerikanischen
Kolonien hat des Königs Starrsinn auf die Spitze getrieben. Er lebte seit 1810 in
geistiger Umnachtung.