38 Die französische Revolution und ihre Folgen für Europa (1789—1815).
Napoleone Buonaparte') wurde am 15. VIII. 1769 in Ajaccio auf Korsika als
zweiter Sohn des angesehenen, aber mäßig begüterten Carlo Buonaparte geboren.
In dem jahrzehntelangen Befreiungskämpfe, den das tapfere Bergvolk zuerst gegen
Genua, dann gegen Frankreich, an das im Mai 1768 die Insel verkauft worden
war, unter der Teilnahme von ganz Europa geführt hatte, war er ein Vertrauter
des bewunderten Freiheitshelden Pasquale Paoli gewesen. Aber nach dessen
Besiegung (Mai 1769) wußte er sich in die neuen Verhältnisse zu schicken und erreichte
später die Versorgung mehrerer Kinder in Frankreich. So wurde Napoleon 1779
in die Militärschule von Brienne (Champagne) ausgenommen, von der er in die
Pariser Offiziersschule übertrat. Der Knabe zeigte, nachdem er die Schwierigkeiten
der fremden Sprache überwunden hatte, ein hervorragendes Verständnis für Mathe¬
matik und Geschichte, schloß sich aber bei seinem frühreifen, verschlossenen Wesen an
niemand an und nährte in sich einen glühenden Haß gegen die „Unterdrücker" seiner
Heimat. Als aber der Sieg der „Republik", die auch sein politisches Ideal war, ent¬
schieden war, trat er auf die Seite der Jakobiner. Von den Konventskommissaren
vor Toulon zum Major ernannt (1793), führte er durch Umsicht und Tapferkeit
den Abzug der englischen Flotte und die Kapitulation der Stadt herbei (s. S. 34),
eine Tat, die dem Vierundzwanzigjährigen die Ernennung zum Brigadegeneral
eintrug und den Siegeslauf seines Gestirnes eröffnete. Durch die energische Nieder-
werfung des royalistischen Aufstandes vom 13. Vendemiaire (s. S. 35) beihalf
er der neuen Verfassung zum Siege, und das „Direktorium" ernannte ihn zum Ober¬
feldherrn der für Italien bestimmten Armee.
Der italienische Napoleon Bcmaparte2) hatte jetzt den Plan auszuführen, den er
Eud^der^rsten ^0N seit zwei Jahren im Hinblick auf die erfolglosen Vorstöße gegen
Koaliti°Vi7^6 Deutschland dringend empfohlen hatte und der dahin ging, die öster-
und 1797. reichische Herrschaft in Italien zu zertrümmern und durch die Alpen
gegen Wien vorzudringen, um hier dem Kaiser den Frieden zu diktieren.
Nachdem er die verwahrloste und zuchtlose Armee schnell für sich be¬
geistert hatte, rückte er von Genua aus über den Apennin in das König¬
reich Sardinien ein und besetzte es nach mehreren Schlag auf Schlag
erfolgenden Siegeu. Die Österreicher zogen sich, Mailand auf*
1) Die folgende Übersicht über die weitverzweigte Familie der Napoleoniden
enthält nur die notwendigsten Namen und Angaben:
Carlo Buonaparte verm. mit Lätitia Ramolino
Joseph, Napoleon (I.) Lucian. Ludwig, König v. Holland, JLröme, König v. Westfalen.
König von Neapel, verm. mit verm. mit verm. (in 8. Ehe) mit
später Spanien * Hortense Beauharnais Katharina von Württemberg
1. Josephine verw. Beauharnais, 2. Marie Luise v. Österreich
deren Kinder erster Ehe:
Eugen, Hortense, Napoleon (H.), Charles Louis Napoleon lPlon-Plon)
Herzog v. Leuchtenberg, verm. mit Herzogv.Reich- Napoleon (Id.),
verm. mit der Tochter Ludwig stadt verm. mit Eugenie,
Königs Max L von Buonaparte Gräfin v. Montijo
Baüern i
LouiS Napoleon (Sulu), Viktor,
gest. 1879 im Kaffernkriege jetziges Haupt der
Bonapartisten.
2) Bei der Übernahme des Oberbefehls gegen Italien legte Napoleon die italienische
Form seines Namens ab: der Italiener war zum Franzosen geworden!