Full text: Deutsche Geschichte (Teil 2)

Der französisch-russische Krieg 1812. 
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seine Verwandten waren, ihm einverleibt wurde, mußte ihm als eine persön¬ 
liche Beleidigung erscheinen. Die Festlandsperre endlich war für Rußland, 
das der englischen Waren bedurfte, geradezu verderblich; als Alexander sie 
aufhob, entschloß sich Napoleon zum Kriege. 
Es war ein ungeheures Heer, das er für diesen Feldzug vereinigte,1812- 
Franzosen, Rheinbündner, Italiener, Illyrier, Polen. Dazu kamen außer 
30 000 Österreichern auch 20 000 Preußen. Denn neben Österreich 
hatte sich auch Preußen zum Bündnisse mit Napoleon entschließen und 
sich verpflichten müssen, Hilfstruppen zu stellen und die Armee aus dem 
Durchzuge zu verpflegen; es hätte sonst die sofortige Vernichtung fürchten 
müssen. Uber 400 000 Mann zogen nach Rußland, denen nachher noch 
etwa 200 000 Mann folgten. Den Kern der „großen Armee" gedachte 
Napoleon selbst in der Richtung auf Moskau zu führen. Zwei kleinere 
Heere bildeten den rechten und linken Flügel; bei dem letzteren, der durch 
die Oftseeprovinzen vordrang, befanden sich auch die Preußen unter dem 
General Aork. 
Me'rüMchen Truppen, die weit schwächer waren, stellten sich nicht zur 
Schlacht, sondern zogen sich in das Innere des Landes zurück. In schnellem 
Marsche folgte ihnen der Feind; aber die Landschaften, die er durchzog, 
waren öde und arm, es mangelte an Nahrungsmitteln, mörderische Krank¬ 
heiten rissen ein, und schon jetzt löste sich im Heere die Zucht und Ordnung 
in erschreckender Weise. Bei Smolensk wurden die Russen geschlagen. 
Auch in der blutigen Schlacht bei B o r o d i n o an der Moskwa siegten die 
Franzosen. Einige Tage später, im September d. I., zog Napoleon in 
Moskau ein; da wurde die Stadt durch eine auf Befehl des Gouverneurs, 
desFürsien Rostopschin, angelegte Feuersbrunst zum großen Teile in Asche 
gelegt, mit ihr ein Teil der Magazine, aus denen sich die Franzosen hatten 
verpflegen wollen. 
Länger als einen Monat blieb Napoleon in der verbrannten Stadt; 
er hoffte immer noch, daß Alexander Frieden schließen würde. Aber dieser 
beharrte dabei, den Krieg fortzusetzen, und wurde in diesem Entschluß 
bestärkt durch den Freiherrn vom Stein, den von Napoleon geächteten 
früheren preußischen Minister, den er zu sich berufen hatte. So trat 
Napoleon denn den Rückzug an. Die Haft des Marsches führte bald eine 
völlige Zerrüttung der Mannszucht herbei; dazu trat nicht nur der Hunger, 
sondern zugleich die Kälte, das Glatteis, der Schnee, die Verfolgung durch 
die Feinde, um das Ende der Armee herbeizuführen. Die Pferde stürzten; 
von den Soldaten warfen viele die Gewehre fort, viele blieben erschöpft 
liegen und erfroren, viele fielen in die Hände der Kosaken. Das schwerste
	        
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