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DaS Zeitalter der Zerstörung des alten und der Entstehung des neuen Reichs.
begleitete er auch ferner mit lebhaftester Aufmerksamkeit, mit ratenden und
warnenden Worten, als ein getreuer Eckart der Nation ihre politische Ent¬
wickelung. Indessen wuchs die Begeisterung für den großen deutschen Mann
immer höher. Mit unbeschreiblichem Jubel beging das deutsche Volk am
1895.1. April 1895 den achtzigsten Geburtstag des nationalen Helden, des
Gründers des deutschen Reichs; und es war ein Tag tiefer nationaler
so. Juli Trauer, als er am 30. Juli 1898 durch den Tod hinweggerafft wurde.
Lange vor ihm war Graf Moltke gestorben. Am 26.Oktober 1690
war sein neunzigster Geburtstag in ganz Deutschland feierlich begangen
worden; noch im März 1891 sprach er im Reichstag, dem er von Anfang an
als Abgeordneter angehört hatte. Ohne krank gewesen zu sein, starb er am
24. April 1891.
Zum Reichskanzler hatte der Kaiser an Bismarcks Stelle den General
der Infanterie von Caprivi berufen, der nachher zum Grafen erhoben
worden ist. 1894 trat an dessen Stelle der im Staatsdienst grau gewordene
Fürst von Hohenlohe-Schillingsfürst, der von 1866 bis 1869
bayrischer Minister des Auswärtigen, später deutscher Botschafter in Paris
und zuletzt als Nachfolger des Generalfeldmarschalls von Manteuffel Statt¬
halter des Reichslandes Elsaß-Lothringen gewesen war. Ihm folgte 1900
Graf Bülow.
Äußere Auch unter Wilhelm II. ist das deutsche Reich einer Politik des
d FriedenTTreu geblieben. Dem Frieden dienten die Besuche an fremden
Höfen, die er machte; ein Hort des Friedens blieb auch ferner das Bündnis
mit Österreich und Italien. Auch mit Rußland wurden seit der Thron¬
besteigung Nikolaus' II. wieder herzlichere Beziehungen angeknüpft. Mit
England, das die Anfänge der deutschen Kolonialpolitik nicht ohne Eifersucht
beobachtet hatte, wurde 1890 ein Vertrag geschlossen; England übernahm das
Protektorat von Sansibar, trat aber Helgoland an Deutschland ab. Im
Jahre 1897 wurde ein zukunftsreicher Stützpunkt in China, das Gebiet von
K i a u t s ch o u, erworben. Im Jahre 1899 verkauften die Spanier, nach¬
dem ihnen die Amerikaner die wichtigsten Stücke ihres Kolonialbesitzes, Cuba
und die Philippinen, im Kriege entrissen hatten, den Rest ihres Besitzes in
der Südsee, die Karolinen und Marianen, an Deutschland. Als cs
Chinesische in China 1900 zu einer Volkserhebung gegen die Fremden kam, viele
Expedition. unb einge&orcnc Christen niedergemetzelt und der deutsche Ge¬
sandte in Peking ermordet wurden, beteiligte sich Deutschland an einer Ge¬
samtunternehmung der Großmächte, schickte zum ersten Male Truppen über
See und stellte auch den Oberkommandierenden, den Generalfeldmarschall
Grafen W a l d e r f e e. China wurde genötigt, eine Kriegsentschädigung zu