V. Das Zeitalter Kaiser Wilhelms I.
1. Persönliches.
Der neue König ging der Vollendung des 64. Lebensjahres entgegen,
stand also in einem Alter, in dem die meisten Menschen die Last der
Arbeit abzuschütteln pflegen. Am 22. März 1797 war er geboren. Seine
Knabenjahre fallen in die Zeit der tiefften Erniedrigung Preußens. Der
zehnjährige Knabe sah den Kummer der Eltern, als die Königliche Familie
gezwungen war, von Berlin nach Königsberg, von Königsberg nach Memel
zu flüchten. Noch nicht hatte er das 14. Lebensjahr beendet, als ihm der
Tod die treue Mutter entriß. Tüchtige Lehrer arbeiteten an seiner Er¬
ziehung. Der Prinz war ein fleißiger Schüler. Geschichte, Erdkunde und
die Kriegswissenschaften waren feine Lieblingsfächer. Er hörte gern zu,
wenn die berühmten Feldherren Blücher, Gneisen au, Jork von Warten¬
burg und Scharnhorst über den Krieg sprachen.
Teilnahme an den Befreiungskriegen. An der Seite seines Vaters
machte er 1814 den Feldzug nach Frankreich mit. In der Schlacht bei
Bar-fur-Aube verrichtete er den Dienst eines Königlichen Adjutanten
und stand unerschrocken im dichten Kugelregen. Zur Belohnung erhielt
der sechzehnjährige Jüngling vom Kaiser Alexander von Rußland den
St.-Georgsordeu, sein Vater schmückte ihn mit dem Eisernen Kreuze. An
der Spitze der Sieger von Waterloo zog er 1815 mit feinem Vater und
feinem ältern Bruder Friedrich Wilhelm in Paris ein. Nach der Be¬
endigung der Befreiungskriege fetzte er feine militärischen Studien fort.
Er zeigte dafür ein so großes Verständnis, daß er im Alter von zwanzig
Jahren bereits zum Obersten und Regimentskommandeur ernannt wurde.
Vermählung. Im Jahre 1829 vermählte er sich mit der Prinzessin
Augusta von Sachsen-Weimar, die unter dem Einflüsse Goethes zu
einer kenntnisreichen Jungfrau emporgeblüht war.
Über feinen Aufenthalt in En gl and, die Niederwerfung des Badischen
Aufstandes war Seite 67 und 72 die Rede.
Gouverneur der Rheinlande und Westfalens. Damit er die Rhein¬
lande und Westfalen, deren größte Gebiete erst 1815 zum Preußischen
Staate gekommen waren, aus eigner Anschauung kennen lerne, übertrug
ihm 1849 Friedrich Wilhelm IY. die militärische Verwaltung dieser
Provinzen; er wohnte während dieser Zeit im Königlichen Schlosse zu
Koblenz. Nach fünf Jahren wurde er Gouverneur der Bundesfestnng
Mainz.