Full text: Lehrbuch der Geschichte des Altertums für die oberen Klassen höherer Mädchenschulen

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stehenden Gesetze. Zum Schutze dieser rechtlichen Stellung hatten 
sie die unverletzlichen Volkstribunen erhalten. Aber die Volks¬ 
tribunen vermochten gegen unbillige oder gesetzeswidrige Ent¬ 
scheidungen der Patrizier nicht einzuschreiten, weil sie eine genaue 
Kenntnis des bestehenden Rechtes entbehrten, und es mochte den 
Patriziern leicht werden, das Einschreiten der Volkstribunen zu 
vereiteln, indem sie sich auf ein nur ihnen bekanntes und zu¬ 
gängliches Recht beriefen. Die Rechtskenntnis betrachteten die 
Patrizier als ihren ausschließlichen Besitz. Als eine Geheimlehre 
pflanzte sie sich in den patrizischen Geschlechtern fort und blieb 
vor der Aufzeichnung und Veröffentlichung streng bewahrt. 
Dieses Verfahren war eine der festesten Stützen der Patrizier¬ 
herrschaft und erhielt die Masse in einer Abhängigkeit, von der 
sogar der Schutz der Volkstribunen sie nicht frei machen konnte. 
Es war nur möglich eine Änderung herbeizuführen, wenn 
das bestehende Recht schriftlich aufgezeichnet und veröffentlicht 
wurde. Deshalb stellte ein Volkstribun (462) den Antrag, einen 
Ausschuß zu ernennen zur Aufzeichnung des gesamten gültigen 
Rechts. 
b) Zehn Jahre widersetzten sich die Patrizier diesem Ver¬ 
langen, endlich wurden im Jahre 451 zehn Männer gewählt und 
beauftragt, die bis dahin mündlich überlieferten Rechtsbestim¬ 
mungen schriftlich aufzuzeichnen, die fortan die patrizischen Richter 
befolgen sollten. Am Ende des Jahres war das Werk größtenteils 
vollendet. Die Gesetze, die sie aufzeichneten, wurden auf zehn 
Bronzetafeln geschrieben und ausgestellt. Für das nächste Jahr 
wählte man wieder zehn Männer, darunter auch drei Plebejer, 
deren Gesetze zwei weitere Bronzetafeln füllten. So entstand das 
Gesetz der zwölf Tafeln, welches die Grundlage des gesamten 
römischen Rechts bildete. 
c) Da die Patrizier in ihrer Mehrheit versuchten, die ihnen 
unangenehme Einrichtung der Volkstribunen nicht wieder aus¬ 
leben zu lassen, zogen die Plebejer zum zweiten Male aus der 
Stadt. Jetzt erreichten die letzteren, daß die Volkstribunen wieder 
eingesetzt wurden, und erlangten sogar das Recht, für die in Zu¬ 
kunft vorzuschlagenden Gesetze in ihren Versammlungen gültige 
Beschlüsse zu fassen. Wenige Jahre nachher errangen die Plebejer 
ihren dritten Sieg. Das Verbot der Ehe zwischen Patriziern 
und Plebejern wurde aufgehoben. 
4. Das Ende der Ständekämpfe. Nach mannigfachen 
Kämpfen mit den Patriziern fetzten es die beiden Volkstribunen 
Licinius und Sextius durch, daß die Schulden der Plebejer 
zwar nicht, wie es Solon getan hatte, für ungültig erklärt wurden, 
aber ihre Rückzahlung erleichtert wurde; ein Teil des Gemeinde¬ 
landes, das bisher allein von den Patriziern in Nutznießung ge-
	        
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