Erster Teil.
Die Slawen, die zwischen Elbe und Oder wohnten, waren abgefallen.
Otto zwang sie wieder zum Gehorsam. Auch die Lombardei eroberte er
wieder. In Rom empfing er die Kaiserkrone. Von da ab waren die
deutschen Könige immer zugleich römische Kaiser.
Persönlichkeit und Begräbnisstätte. Kaiser Otto war ein großer,
starker Mann; er war treu gegen seine Freunde, großmütig gegen seine
Feinde. Im Dome zu Magdeburg liegt er begraben.
Königin Editha.
Ottos des Großen erste Gemahlin hieß Editha. Sie war eine Tochter
des Königs von England. Auch sie war eine sehr wohltätige Fürstin,
wie Mathilde, die Mutter ihres Gemahls. Mathilde und Editha lebten
beide am Hose Ottos des Großen. Beide wetteiferten im Wohltun, so
daß es dem Kaiser zu viel erschien und er deshalb zornig wurde. Ottos
Mutter entfernte sich vom Hofe. Editha ruhte aber nicht eher, bis Otto
seine Mutter an den Hof zurückholte. So sehr ehrte sie die Mutter
ihres Gemahls.
Otto hatte auch ihr einmal verboten, den Bettlern Geschenke zn
geben. Als sie nun -eines Morgens aus der Kirche trat, stand ein Bettler
an der Tür und bat um ein Almosen. Editha sagte, sie habe nichts,
was sie ihm geben könnte. Da faßte der Bettler einen der goldgestickten
Ärmel ihres Kleides und sagte: „Wenn ich einen solchen Ärmel hätte,
wäre mir geholfen." Editha ließ durch ihre Kammerfrau den Ärmel ab¬
trennen und dem Bettler geben. Dann ging sie in die Königsburg und
zog ein anderes Kleid an. Beim Mittagsmahle fragte der König, warum
sie das Kleid gewechselt habe. Er wünschte sie in dem Kleide zn sehen,
das sie am Morgen getragen habe. Editha entfernte sich, um dem Willen
des Königs zu gehorchen. Als sie wieder im Speisesaale erschien, waren
beide Ärmel im Kleide. Otto war erstaunt; denn er hatte sich am Morgen
als Bettler verkleidet und den Ärmel bekommen. Diesen trug er unter
seinem Gewände verborgen. Beschämt bat er die Königin um Verzeihung
wegen seiner Härte. Das ist nur eine Sage. Aber in dieser Sage spricht
sich die Anhänglichkeit des dankbaren Volkes gegen die mildtätige Königin
aus. Eine andere Sage zeugt von ihrer großen Herzensgüte. In einer
Nacht scharrte eine Hirschkuh an der Tür ihres Schlafgemaches zu Magde¬
burg. Als die Tür geöffnet wurde, winselte und stöhnte das Tier, als
ob es einen großen Schmerz habe. Dann lief es hinaus. Editha ließ
einen Jäger wecken und der Hirschkuh folgen. Dieser fand sie beschäftigt,
eine Schlinge zu lösen, in die eines ihrer Jungen verstrickt war. Der
Jäger befreite das gefangene Hirschkälbchen, mit dem dann die Hirschkuh
in das dichte Gebüsch davonlief.