Full text: Lehrbuch der Geschichte des deutschen Volkes für die oberen Klassen katholischer höherer Mädchenschulen

— 153 — 
III. Das neue Deutsche Reich bis auf die Gegenwart. 
§ 85. Kaiser Wilhelm I., 1871—1888. 
Als Greis von ^vieruudsiebenzig Jahren bestieg Kaiser Wilhelm den 
Thron des Deutschen Reiches. Aber zum Heile des deutschen Volkes war es 
ihm vergönnt, noch eine lange Reihe von Jahren die Geschicke Deutschlands 
zu leiten. In dieser Friedenszeit hat er bewiesen, daß es ihm heiliger 
Ernst war, was er in Versailles gelobt: „allzeit Mehrer des Deutschen 
Reiches zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an 
Gütern und Gaben des Friedens, auf dem Gebiete nationaler 
Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung". Wie in den Jahren des 
Krieges, bei dem. Aufbau des Deutschen Reiches, so blieb auch jetzt bei den 
Werken des Friedens Fürst Bismarck, der „eiserne Kanzler", der treue 
und unentbehrliche Ratgeber des Kaisers. 
1. Sicherung des Friedens. Vor allem galt es. die Segnungen des 
Friedens zu erhalten. Diesem Zwecke diente die fortwährende Vermehrung 
des Heeres, durch dessen Stärke und Tüchtigkeit Deutschland die erste 
Landmacht der Erde ist. Noch mehr aber wirkten für die Erhaltung des 
europäischen Friedens die Bündnisse, welche Kaiser Wilhelm mit anderen 
Staaten Europas abschloß. 
Bismarcks meisterhafte Staatskunst brachte 1872 zwischen den Herr¬ 
schern des Deutschen Reichs, Österreichs und Rußlands das „Dreikaiser¬ 
bündnis" zustande. Als Rußland sich bald zurückzog, schloffen das Deutsche 
Reich und Österreich sich noch enger zusammen; ihr Friedensbund wurde später 
durch den Beitritt Italiens zum Dreibunde erweitert, welcher noch heute 
besteht und trotz der Kriegsgelüste der mit Rußland verbündeten Franzosen 
eine sichere Bürgschaft für die Ruhe Europas bietet. 
2. Innere Ausgestaltung der Einheit des Reiches. Um das 
einigende Band, welches nunmehr alle Deutsche umfaßte, zu befestigen, 
wurde Gleichheit der Münzen, Maße und Gewichte, sowie Einheit 
der Rechtspflege und des Verkehrswesens eingeführt./^ 
3. Förderung des überseeischen Handels und Gründung von Ko¬ 
lonien. Seit Jahrhunderten hatten die Deutschen den Welthandel ganz 
den westlichen Völkern Europas überlassen (s. § 49, 3), da der deutsche 
Kaufmann in der Fremde schutzlos w,ar. Darunter litt auch die deutsche 
Industrie empfindlich, welcher es an Absatzgebieten fehlte. Hierin trat 
seit der Errichtung des neuen Deutschen Reiches ein vollständiger Um¬ 
schwung ein. Bald wehte nun die schwarz-weiß-rote Flagge der mächtig 
aufstrebenden deutschen Kriegsflotte auf allen Meeren; der deutsche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.