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Angenehm für den Wanderer ist auch die Wegsamkeit und verhältnismäßig
starke Besiedlung des Gebirges. Herrliche, gut gepflegte Straßen, die von sorglich
gehegten Obstbaumpflanzungen begleitet werden, durchziehen den Odenwald nach
allen Richtungen. Mag auch die Breite der großen Hauptzüge beträchtlicher sein,
als die der Nebenstraßen — in bestem Zustande befinden sich alle. Es gibt kaum
ein Gebirge in Deutschland, das sich in dieser Beziehung mit dem Odenwalde
messen kann. Wenn die Straße nicht frisch „ausgeflickt" worden ist, rollt der
Wagen wie auf Asphalt darüber hin, und auch für den Fußwanderer ist dieser
treffliche Zustand der großen Verkehrswege namentlich bei ungünstiger Witterung
eine große Wohltat. Anerkennend sei hier auch der zahlreichen Hochwege gedacht,
die allerdings nicht überall gut gehalten sind, aber zahlreiche liebliche Fernblicke
bieten und oft auf große Entfernungen hin durch stille Wälder führen. Die Be¬
siedlung ist im Westen stärker als im Osten, aber hier wird ein Ausgleich dadurch
geschaffen, daß nach altgermanischer Sitte die Hofsiedlung überwiegt und geschlossene
Dorfschaften verhältnismäßig selten vorkommen. Stundenlang dehnt sich mancher
Ort infolge davon aus; da liegt ein Hof, umgeben von seinen Äckern und Wiesen,
die ersteren vielleicht noch durch besondere Hage von den Nachbargrundstücken getrennt;
dort lugt aus stattlichen Obstbäumen, überragt von einer hohen Fichte, ein anderer
am Berghange; hier hat der Müller sein Mahl- und Sägewerk im Wiesengrunde
angelegt; dort grüßt vom Waldrande das bescheidene Häuschen des Taglöhners
oder Holzhauers. Manche Örtchen bestehen nur aus einigen Gehöften, und nicht
selten gehören zehn bis zwölf Dörfer und Weiler zu einem Kirchspiele. Diese eigen¬
tümliche Art der Siedlung gibt dem Gebirge etwas wohltuend Belebtes und Trau¬
liches, dem einsamen Wanderer ein Gefühl der Sicherheit. Wo er auch wandert —
er weiß in nicht allzu großer Entfernung immer Wohnstätten von Menschen neben
sich. Daß der Odenwald überhaupt, im Gegensatz zu manchem anderen Gebirge,
für sicher gilt und dieses Lob verdient, sei zu seinem Ruhme hier nur kurz erwähnt.
31. 3n der Schwäbischen Alb.
Eduard Paulus sund Robert Stieles, Aus Schwaben. Stuttgart 1887. S. 157ff., I8lff.
Als ein etwa zehn Stunden breiter Wall aus Kalkstein, schroff gegen den
Neckar, sachte gegen die Donau, legt sich die Schwäbische Alb von Südwesten nach
Nordosten quer durch unser Land, das sand- und tonreiche Tal- und Hügelland
des Neckargebietes abschneidend von dem aus Nagelfluhe und Gletscherschutt nieder¬
geschlagenen Alpenvorlande Oberschwabens. Weiter nach Südwesten findet die
Schwäbische Alb ihre Fortsetzung in der Badischen Alb, dem Randen und drüben
über dem Rhein in dem bis 2000 m ansteigenden Schweizerjura; im Nordosten
aber im Fränkischen Jura Bayerns, dem sogenannten Hahnenkamm, dessen höchste
Höhen mit 700 m die der Schwäbischen Alb nicht erreichen; diese selbst steigt bis
über 1000 m über das Meer, über den Tälern bis zu 500 m und mehr empor.