73
3. Ich zieh' mich in mein Innres still zurück,
der Schleier fällt,
da hab' ich dich und mein vergangnes Glück,
du meine Welt!
52. Die Kreuzschau.
1. Der Pilger, der die Höhen überstiegen,
sah jenseits schon das ansgespannte Tal
in Abendglut vor seinen Füßen liegen.
2. Auf duft'ges Gras im milden Sonnenstrahl
streckt er ermattet sich zur Ruhe nieder,
indem er seinem Schöpfer sich befahl.
3. Ihm fielen zu die matten Augenlider;
doch seinen wachen Geist enthob ein Traum
der ird'schen Hülle seiner trägen Glieder.
4. Der Schild der Sonne wird im Himmelsraum
zu Gottes Angesicht, das Firmament
zu seinem Kleid, das Land zu dessen Saum.
5. „Du wirst dem, dessen Herz dich Vater nennt,
nicht, Herr, im Zorn entziehen deinen Frieden,
wenn seine Schwächen er vor dir bekennt.
6. Daß, wen ein Weib gebar, sein Kreuz hienieden
auch duldend tragen muß, ich weiß es lange;
doch sind der Menschen Last und Leid verschieden.
7. Mein Kreuz ist allzuschwer; sieh, ich verlange
die Last nur angemessen meiner Kraft;
ich unterliege, Herr, zu hartem Zwange."
8. Wie er so sprach zum Höchsten kinderhaft,
kam brausend her der Sturm, und es geschah,
daß aufwärts er sich fühlte hingerafft.
9. Und wie er Boden faßte, fand er da
sich einsam in der Mitte räum'ger Hallen,
wo ringsum sonder Zahl er Kreuze sah.
10. Und eine Stimme hört' er dröhnend hallen:
„Hier aufgespeichert ist das Leid; du hast
zu wählen unter diesen Kreuzen allen."